In den Fängen der Macht
hypnotisieren.
»Lyman Breeland hatte sie ihr als Zeichen seiner Liebe geschenkt.« In ihren Augen glitzerten Tränen. »Sie dachte wirklich, er würde sie lieben. Sie hatte keine Ahnung, dass er ein grausamer Mensch ist… ehrlich! Sie muss es herausgefunden haben und ihm die Uhr zurückgegeben haben, weil sie niemals gewollt hätte, dass ihr Vater ermordet werden würde… niemals! Ich weiß, dass sie mit ihm stritt, weil sie der Meinung war, er täte fürchterliches Unrecht, indem er die Gewehre an den Mann aus dem Süden verkaufte, weil im Süden Sklaven gehalten werden. Aber man bringt doch wegen solcher Meinungsverschiedenheiten keinen Menschen um!«
»Ich fürchte, in Amerika doch, Miss Parfitt«, sagte Deverill mit vorgetäuschtem Bedauern. »Das ist ein Thema, wegen dem sich einige Leute dermaßen echauffieren können, dass ihr Verhalten die Grenzen der allgemein gültigen Gesetze und der gesellschaftlichen Konventionen überschreitet. Gerade jetzt, da wir hier in diesem friedlichen Gerichtssaal stehen und über die Sachlage diskutieren, beginnt einer der tragischsten Kriege überhaupt. Keiner von uns weiß, wie er enden wird. Wir wollen Gott bitten, dass wir ihn mit all unseren Vorurteilen und Begierden nicht noch schlimmer machen.«
Dies war eine Erklärung, der Rathbone zustimmte, und doch empfand er den Umstand, sie von Deverill in Worte gefasst zu hören, als sehr irritierend. Dorothea hatte keine Ahnung, was er mit der Erklärung bezwecken wollte. Mit blankem Unverständnis in den Augen starrte sie ihn an.
»Mr. Deverill«, mahnte der Richter und beugte sich über seinen Tisch. »Wollen Sie die Zeugin etwa dafür tadeln, bezüglich des Ausgangs der gegenwärtigen Tragödie über dem Atlantik über keinerlei Wissen zu verfügen?«
»Nein, Euer Ehren, gewiss nicht. Ich versuche lediglich, zu erklären, dass es Menschen gibt, die der Frage der Sklaverei mit einer derartigen Leidenschaft begegnen, dass sie Menschen töten, die nicht ihrer Meinung sind.«
»Das ist unnötig, Mr. Deverill. Dieser Tatsache sind wir uns durchaus bewusst«, erwiderte der Richter trocken.
»Haben Sie noch weitere Fragen an Miss Parfitt?«
»Nein, Euer Ehren, ich danke.« Deverill wandte sich zu Rathbone um. Der Vorgeschmack des Sieges stand ihm ins Gesicht geschrieben, drückte sich in seiner Körperhaltung, den gestrafften Schultern und dem durchgedrückten Rücken aus. »Sir Oliver?«
Rathbone erhob sich. Die Uhr war das stärkste Beweisstück gegen Merrit, die einzige Sache, die er nicht entkräften konnte. Dies wusste auch Deverill. Wichtiger war jedoch, was die Geschworenen sahen.
»Miss Parfitt«, sagte er und begegnete ihr mit ebenso viel Freundlichkeit und Behutsamkeit wie Deverill.
»Selbstverständlich haben Sie keine andere Wahl, als uns mitzuteilen, dass Merrit Alberton Ihnen die Uhr zeigte, die Breeland ihr geschenkt hatte, als Zeichen der Gefühle, die er ihr entgegenbrachte. Zunächst sagten Sie es, ohne zu ahnen, welche Folgen dies haben würde, und nun können Sie es nicht mehr zurücknehmen. Wir alle verstehen das. Aber Mr. Deverill vergaß, Sie zu fragen, wann Merrit Ihnen die Uhr zeigte. War es am Tag von Mr. Albertons Tod?«
Plötzlich wirkte sie erleichtert, als ob sie eine Fluchtmöglichkeit entdeckt hätte. »Nein! Nein, das war einige Tage vorher. Mindestens zwei, vielleicht sogar drei Tage. Ich erinnere mich nicht genau. Könnte ich mein Tagebuch holen?«
»Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird«, winkte er ab.
»Nicht meinetwegen. Könnte sie ihm die Uhr aus irgendeinem Grund zurückgegeben haben? Ein Streit, vielleicht? Oder um den Verschluss ändern zu lassen, eine Kette anbringen oder um etwas Zusätzliches eingravieren zu lassen?«
»Ja!«, rief sie eifrig und riss die Augen auf. Dann schien sie einen Moment lang zu zögern.
»Ich danke Ihnen«, sagte er eilig, in der Befürchtung, sie würde seinen Vorschlag ausschmücken und sich in Mutmaßungen ergehen. »Das ist alles, was wir wissen müssen, Miss Parfitt. Bitte streben Sie nicht danach, zu helfen. Nur was Sie wirklich wissen, ist ein Beweis, nicht was Sie wünschen oder glauben mögen.«
»Ja…«, sagte sie verlegen. »Ich… ich verstehe.« Der Richter sah Deverill an.
Mit leichtem Lächeln schüttelte Deverill den Kopf. Er wusste, er musste nichts mehr aus der Aussage herausholen.
Das Gericht vertagte sich bis zum nächsten Tag, und Rathbone machte sich umgehend auf den Weg zu Merrit. Er fand sie allein in der
Weitere Kostenlose Bücher