In den Fängen der Macht
dienlich sein.«
»Gewiss wird es der Ihren nicht dienen, Sir«, gab Deverill zurück.
»Ihr aber auch keinen Schaden einbringen.« Rathbone lächelte. »Es ist irrelevant, ein Zeitvertreib. Bitte fahren Sie fort…«
Der Richter lächelte trocken und bat sie, fortzufahren.
»Ihr Zeuge«, lud Deverill den Gegner ein.
Rathbone erhob sich und ging ein paar Schritte vor, um sich in die Mitte der freien Fläche zu stellen. Nun schauten alle Anwesenden auf ihn. Man erwartete von ihm die Eröffnung des Kampfes. Bis jetzt hatte er nicht einen einzigen Schlag pariert und schon gar keinen selbst ausgeführt. Er wusste, dass er sofort ein Zeichen setzen musste, andernfalls würde er die Aufmerksamkeit der Juroren verlieren.
»Sergeant Lanyon, Sie haben die Spur dieser Waffen äußerst gewissenhaft verfolgt, angefangen in der Tooley Street bis in die Nähe der Hayes Docks, dann die Themse hinunter bis zu Bugsby’s Marshes. Der Prahm führte eine schwere Ladung mit sich, und wir nahmen an, dass es sich um die Waffen aus Mr. Albertons Warenlager handelte. Ist Ihnen etwas über die Identität der Männer bekannt, die von den verschiedenen Zeugen gesehen worden waren, mit denen Sie gesprochen hatten? Ich meine, ob Sie die Identität wirklich feststellen konnten, nicht, ob Sie diese von einer gefundenen Uhr ableiten oder dem Bestreben, Waffen für eine bestimmte Sache zu erwerben.«
»Nein, Sir. Ich weiß lediglich, dass sie wussten, wo die Waffen gelagert waren, und diese mit einer Dringlichkeit in ihren Besitz bringen wollten, um dafür drei Morde zu begehen«, antwortete Lanyon, wobei in seinem sanftmütigen schmalen Gesicht kaum eine Gefühlsregung aufflackerte.
»Aha«, nickte Rathbone. »Aber wer waren die Männer?« Lanyons Kiefermuskeln verspannten sich. »Ich weiß es nicht. Aber irgendwer hatte diese Uhr erst kürzlich fallen lassen. Golduhren liegen für gewöhnlich nicht lange in Lagerhaushöfen herum, bevor jemand sie entdeckt.«
»Nicht bei Tageslicht, jedenfalls.« Rathbone lächelte leicht.
»Ich danke Ihnen, Sergeant Lanyon. Sie scheinen Ihre Pflicht vorbildlichst erfüllt zu haben. Ich habe keine weiteren Fragen an Sie… außer vielleicht… Fanden Sie denn heraus, was hinter Bugsby’s Marshes mit den Waffen geschah? Oder was danach mit dem Lastkahn geschah?«
»Nein, Sir.«
»Verstehe. Finden Sie das nicht sonderbar?«
Deverill sprang auf.
Rathbone hielt die Hand hoch. »Ich formuliere meine Frage anders, Sergeant Lanyon. Wenn Sie auf Ihre Erfahrung als Polizeibeamter zurückblicken, halten Sie das für ein normales Vorkommnis?«
»Nein, Sir. Ich habe mich sehr bemüht, aber ich kann weder eine weitere Spur der Waffen noch des Kahns finden.«
»Ich werde Sie aufklären«, versprach Rathbone.
»Wenigstens über den Verbleib der Waffen. Der Verbleib des Kahns ist mir ebenso ein Rätsel wie Ihnen. Ich danke Ihnen. Ich habe keine weiteren Fragen.«
Nach der Verhandlungspause rief Deverill am Nachmittag den ärztlichen Leichenbeschauer in den Zeugenstand, der eine genaue Beschreibung der Art und Weise gab, wie die Morde ausgeführt worden waren. Es war ein schauerlicher und bedrückender Bericht, und das Gericht lauschte ihm in fast völligem Schweigen. Anfänglich schien Deverill die Absicht zu haben, ihm jedes quälende Detail zu entlocken, dann erkannte er jedoch gerade noch rechtzeitig, dass die Geschworenen sich des Schmerzes bewusst waren, den dies der Witwe verursachen musste, was in ihnen nicht nur einen ganz natürlichen Zorn auf die Mörder, sondern auch auf ihn selbst erzeugte, weil er Judith Alberton dazu zwang, die klinisch exakte Beschreibung eines Grauens zu hören, vor dem man sie bis dato verschont hatte.
Rathbone sah zu Merrit hoch. Er bemerkte die Qual in ihren Augen, ihre aschfahle Haut war so bleich, dass sie fast grünlich wirkte, und ihre Arme und ihr Körper waren schmerzhaft verspannt, während sie von lautlosem Schluchzen geschüttelt wurde. Es musste ein wahrhaft unbarmherziger Mensch sein, der sie jetzt ansehen und nicht glauben konnte, dass sie, hätte sie all das bereits gewusst oder gar als Komplizin daran Teil gehabt, keine Reue empfand.
Er fragte sich auch, was sie wohl bezüglich Breeland denken mochte, der kerzengerade wie bei einer militärischen Übung und mit fast ausdruckslosem Gesicht neben ihr saß.
Was in Rathbones Gedanken aufflammte war die Tatsache, dass Breeland nicht einmal die Hand nach Merrit ausstreckte oder ihr ein Zeichen des Mitleids
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