In den Fängen der Macht
mit Tränen. »Ich weiß, dass er in jener Nacht nicht auf dem Hof des Lagerhauses war, Sir Oliver, weil ich während der ganzen Zeit bei ihm war und ebenso wenig dort war. Das schwöre ich!«
Er glaubte ihr. »Aber wie kam die Uhr dorthin? Wie erkläre ich das der Jury?«
Angst kroch in ihr hoch. Er täuschte sich nicht.
»Ich weiß es nicht! Ich verstehe es doch auch nicht. Ich kann es nicht erklären.«
»Wann sahen Sie die Uhr zum letzten Mal?«
»Ich habe versucht, darüber nachzudenken, aber in meinen Gedanken herrscht ein solches Durcheinander. Je mehr ich es versuche, desto weniger klar sehe ich. Ich erinnere mich, sie Mrs. Monk gezeigt zu haben, und ich hatte sie auch am Tag danach noch, das war, als Dorothea sie bewunderte und ich ihr davon erzählte.« Sie errötete leicht, es war kaum mehr als der Anflug von Farbe in ihrem blassen Gesicht. »Danach… ich bin mir nicht sicher. Die Tage verwischen sich in meiner Erinnerung. Es ist so viel passiert, und ich war so wütend auf meinen Vater…« Die Tränen quollen aus ihren Augen, und sie kämpfte um ihre Selbstbeherrschung.
Rathbone unterbrach sie nicht und versuchte auch nicht, ihr Worte anzubieten, von denen sie beide wussten, dass er sie nicht ehrlich meinen konnte.
»Könnten Sie sie verloren haben oder in einem Kleidungsstück vergessen haben, das Sie gerade nicht trugen?«, fragte er schließlich.
»Ich vermute, so muss es gewesen sein.« Hastig griff sie nach dieser Erklärung. »Lyman hätte sie niemals in den Hof geworfen. Und wer sonst könnte es gewesen sein?«
»Ich weiß es nicht«, gab er zu. »Aber ich werde Monk auf diese Frage ansetzen. Wäre es nicht möglich, dass Ihr Vater die Uhr mit sich nahm?«
»O ja! Das könnte sein, nicht wahr?« Endlich hörte sich ihre Stimme etwas hoffnungsvoller an. »Sir Oliver, wer hat ihn umgebracht? War es Mr. Shearer? Das wäre sehr betrüblich. Ich weiß, mein Vater vertraute ihm. Sie hatten jahrelang zusammengearbeitet. Ich traf ihn allerdings nur ein Mal. Er wirkte ziemlich grimmig… ich weiß nicht recht… irgendwie aufgebracht. Zumindest kam er mir so vor.« Sie forschte in seinem Gesicht, um zu sehen, ob er verstand, was sie so schwer in Worte fassen konnte. »Ging es um Geld?«
»Es sieht so aus.«
»Wie hatte sich mein Vater nur so in ihm täuschen können?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil wir dazu neigen, andere nach unseren eigenen Maßstäben zu beurteilen.«
Sie gab keine Antwort. Nach wenigen Minuten verabschiedete er sich mit dem Versuch, sie zu ermutigen.
Er war nicht sonderlich erpicht darauf, Breeland zu sehen, aber es war eine Pflicht, der er sich nicht entziehen konnte. Er fand ihn in dem ihm zugewiesenen Raum, neben einem Stuhl und einem kleinen Tisch stehend. Sein Gesicht war bewegungslos und seine Schultern so straff, dass sie den Stoff seines Fracks spannten. Er sah Rathbone anklagend an, und Rathbone konnte es ihm nicht verdenken. Er mochte den Mann nicht, und das wusste Breeland, ebenso wie die Tatsache, dass Rathbones größte Sorge Merrit Alberton galt. Schließlich war es Judith, die ihn bezahlte. Unvermittelt verspürte er ein heftiges Mitleid mit Breeland, der sich Tausende von Meilen von seiner Heimat entfernt inmitten von Fremden befand, die ihn wegen einer Vorstellung hassten, die sie sich von ihm gemacht hatten. Hätte Rathbone sich in einer vergleichbaren Situation befunden, vielleicht hätte er mit derselben eisigen Würde reagiert. Es war der letzte Schutzschild, der Breeland geblieben war, so zu tun, als wäre ihm alles gleichgültig, denn warum sollte er seine Verletzlichkeit zur Schau stellen.
Könnte Shearer Alberton ohne Breelands Wissen und Mittäterschaft umgebracht haben? Oder sollte Breeland, dessen ganze Ergebenheit seinem Volk galt, die Waffen angenommen haben, die ihm zufällig angeboten worden waren – weil er vermutete, sie wären durch Betrug in die Hände Shearers geraten, der sie ihm angeboten hatte? Für Breeland herrschte Krieg, und er hätte es nicht als Handel betrachtet. Für ihn bedeuteten sie nicht Profit, sondern das Überleben seiner Ideale.
Breeland starrte ihn an. »Ich nehme an, zu einem gewissen Zeitpunkt in dieser Farce werden Sie versuchen, wenigstens Miss Alberton zu verteidigen, wenn schon nicht mich«, sagte er kühl.
»Obwohl ich sie daran erinnern möchte, dass sie aus freien Stücken mit mir nach Amerika kam, was Monk bezeugen wird.«
»Ich mache mir mehr Gedanken darüber, was er mir über die genauen
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