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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Zelle, die für derlei Treffen genutzt wurde. Die Aufseherin wurde vor der Tür postiert. Sie war eine schwere Frau mit streng zurückgekämmtem Haar und rosarotem Gesicht. Sie schüttelte den Kopf, als Rathbone an ihr vorüberging und der Schlüssel im Schloss rasselte.
    »Es läuft nicht so gut, nicht wahr?«, sagte Merrit, sobald sie allein waren. »Die Geschworenen glauben, Lyman hätte es getan. Ich kann es in ihren Gesichtern lesen.« Dachte sie instinktiv zuerst an Breeland, oder hatte sie noch nicht verstanden, dass sie desselben Vergehens angeklagt war wie er? Niemand glaubte, sie hätte die Schüsse abgefeuert, aber bei solch einem Verbrechen würde ein Komplize ebenso zur Verantwortung gezogen und mit derselben Strafe bestraft werden. Rathbone konnte es sich nicht leisten, sachte mit ihr umzugehen. Sie musste der Realität ins Auge sehen, bevor es selbst für einen Versuch, sie zu retten, zu spät sein würde.
    »Ja, das glauben sie«, stimmte er ohne Umschweife zu. Er bemerkte die Qual in ihren Augen und sah den Anflug der Hoffnung ersterben, dass sie Unrecht gehabt haben könnte. »Es tut mir Leid, aber es ist nicht zu leugnen, und ich würde Ihrer Sache nicht dienen, wenn ich das Gegenteil behauptete.«
    Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ich weiß.« Ihre Stimme klang rau. »Sie täuschen sich so sehr in ihm. Niemals würde er etwas so Bösartiges tun… aber selbst wenn sie das nicht verstehen können, dann kann man ihnen doch sicher klarmachen, dass er keinen Grund für den Mord gehabt hatte? Er erhielt eine Nachricht, dass mein Vater seine Meinung geändert hatte und ihm die Gewehre doch verkaufen wollte. Er hatte offenbar eine Möglichkeit gefunden, das Versprechen, das er Mr. Trace gegeben hatte, zu lösen, so dass er nun frei war, die Waffen demjenigen anzubieten, der einer ehrbareren Sache dient. Sie waren doch am Bahnhof Euston Square. Es wurde sogar ein Sonderzug für ihren Transport eingesetzt.«
    »Ich denke, ich kann beweisen, dass er die Schüsse nicht persönlich abgefeuert haben konnte«, nickte Rathbone und erlaubte sich, seiner Stimme eine Spur von Hoffnung zu verleihen. Doch er durfte sie nicht irreführen, nicht einmal durch eine stillschweigende Folgerung. »Was ich nicht beweisen kann, ist, dass derjenige, der es tat, nicht von Mr. Breeland bezahlt wurde. Und das wäre ein ebenso schlimmes Verbrechen. Da Sie mit ihm und den Waffen England verließen, sind Sie die Komplizin in einem Mordfall und einem Raub….« Er hielt die Hand hoch, als sie protestieren wollte. »Ich kann allerdings als gutes Argument anführen, dass Sie sich der Geschehnisse nicht bewusst gewesen waren und daher unschuldig sind –«
    »Aber Lyman ist auch unschuldig!«, fiel sie ein und beugte sich aufgeregt vor. »Er hatte doch keine Ahnung, dass jemand getötet hatte, um an die Gewehre zu kommen!«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Rathbone sanft. Er wollte nicht herausfordernd klingen, sie fochten keinen Streit aus.
    »Ich…«, begann sie zu antworten. Dann zwinkerte sie, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Entsetzen. »Sie meinen, wie ich Ihnen das beweisen kann? Sicherlich…« Wieder hielt sie inne.
    »Ja, das müssen Sie«, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage. »Laut Gesetz ist man unschuldig, außer man wird, über jeden vernünftigen Zweifel erhaben, einer Schuld überführt. Bedenken Sie das Wort vernünftig. Glauben Sie denn, nachdem Sie der Beweisführung bis jetzt zugehört haben, dass der Mann in der Geschworenenbank dieselbe Auffassung von der Wahrheit hat wie Sie? Mit unseren Emotionen verlieren wir leider auch unsere Vernunft. Denken Sie an Kriege, Ungerechtigkeit, Sklaverei, die Liebe zu Ihrer Familie, Ihrem Land oder Ihrer Art zu leben. Glauben Sie denn, irgendjemand von uns lässt sich dabei lediglich von der Vernunft leiten?«
    Kaum merklich schüttelte sie den Kopf. »Nein«, flüsterte sie.
    »Ich denke nicht.« Sie atmete tief ein. »Aber ich kenne Lyman! Er würde sich zu keiner Unehrenhaftigkeit herablassen. Ehre und aufrichtiges Handeln ist ihm wichtiger als alles andere. Das ist zum Teil der Grund, warum ich ihn so sehr liebe. Können Sie nichts unternehmen, damit die Geschworenen das begreifen?«
    »Und Sie sind absolut sicher, dass aufrichtiges Handeln in seinen Augen nicht einschließt, drei Männer zu opfern, um für die Union Waffen zu beschaffen?«, fragte er.
    Sie war jetzt sehr blass. »Aber doch nicht durch Mord!« Ihre Stimme bebte, und ihre Augen füllten sich

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