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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Gewehrkisten.
    Das Kriegsfieber war nun deutlich zu spüren.
    Als sie in den Bahnhof einfuhren, ging es endlich an das Aussteigen und Ausladen von Gepäckstücken, und sie begannen, für die Zeit, die sie in der Stadt verbringen würden, nach einer geeigneten Unterkunft zu suchen.
    »Breeland hält sich mit Sicherheit hier auf«, sagte Trace voller Überzeugung. »Die Konföderiertenarmee befindet sich nur ungefähr zwei Tagesmärsche südlich von hier. Wir sollten im Willard Quartier beziehen, wenn wir können, oder wenigstens dort speisen. Es ist der beste Ort, um Neuigkeiten zu erfahren und all den Klatsch zu hören.« Schmerzlich amüsiert lächelte er. »Ich vermute zwar, Sie werden den Radau, der dort herrscht, verabscheuen. Die meisten Engländer tun das. Aber wir haben keine Zeit, unseren Abneigungen freien Lauf zu lassen, Senatoren, Diplomaten, Händler und Abenteurer, alle treffen dort zusammen – mitsamt ihren Gattinnen. Für gewöhnlich ist das Hotel voller Frauen und sogar Kinder. Ein Abend dort, und ich werde wissen, wo Breeland sich aufhält, das verspreche ich.«
    Hester war von der Stadt fasziniert. Weniger noch als New York glich Washington einer Stadt, wie sie sie je zuvor gesehen hatte. Offensichtlich war sie mit der großartigen Vision entworfen worden, eines Tages das ganze Land zwischen Bladensburg River und dem Potomac zu bedecken, im Augenblick jedoch lagen noch weite Flächen Brachlandes zwischen den außerhalb liegenden Barackendörfern, bevor man die breiten, ungepflasterten Hauptstraßen erreichte.
    »Das ist die Pennsylvania Avenue«, erklärte Trace, der neben Hester in einem zweirädrigen Einspänner saß und ihr ins Gesicht sah. Monk saß mit dem Rücken zu ihnen. Sein Gesichtsausdruck war eine sonderbare Mischung aus Nachdenklichkeit und gespannter Aufmerksamkeit, als ob er ihre Mission hier zu planen versuchte, seine Aufmerksamkeit aber fortwährend durch das, was er um sich herum sah, abgelenkt würde. Und tatsächlich war das Treiben höchst unterhaltsam. Auf der einen Straßenseite befanden sich Gebäude, die wahrlich prachtvoll waren, große Marmorbauten, die für jede Hauptstadt der Welt eine Zierde gewesen wären. Auf der anderen Seite kauerten sich Herbergen, billige Märkte oder Werkstätten zusammen, dazwischen hier und da freie Flächen, die noch gänzlich unbebaut waren. Gänse und Schweine liefen unter völliger Missachtung des Verkehrs umher. Oft wälzte sich ein Schwein in den tiefen Furchen, die die Kutschenräder nach Regenfällen in die Straße gegraben hatten. Im Moment regnete es nicht, und es gab auch keinen Schlamm auf den Straßen, und so verursachten die Schweine dicke Staubwolken, die die Lungen verstopften und sich über alles senkten.
    Weit vor ihnen sah das Kapitol auf den ersten Blick wie eine prächtige Ruine Griechenlands oder Roms aus, umgeben von den Trümmern der Vergangenheit. Aus der Nähe betrachtet war das Gegenteil der Fall, denn es war noch im Bau begriffen. Die Kuppel musste erst noch gebaut werden, und zwischen Bruchsteinen, Bauholz, den Hütten der Arbeiter und nicht fertig gestellten Treppenfluchten standen Säulen, Steinblöcke und Statuen.
    Hester hätte gerne etwas Angemessenes geäußert, aber sie war keiner Worte fähig. Überall schienen Fliegen zu sein. Weder in England noch auf dem Schiff war ihr in den Sinn gekommen, dass in Amerika tropische Verhältnisse herrschen könnten, mit feuchtschwüler Luft, die sich wie eine heiße, nasse Flanelldecke um einen legte.
    Sie erreichten das Willard, und nachdem Trace ein gutes Stück Überredungskunst aufgebracht hatte, wurden sie zu zwei Zimmern geführt. Hester war erschöpft und über die Maßen erleichtert, wenigstens ein paar Augenblicke lang eine Privatsphäre genießen zu können, fort von dem Lärm, dem Staub und den fremdartigen Stimmen. Selbst hier konnte man der Hitze nicht entfliehen, aber wenigstens war sie dem prallen Sonnenschein entflohen.
    Dann sah sie Monk an und las den Zweifel in seinem Gesicht. Bewegungslos stand er in der Mitte des kleinen Zimmers, sein Frack war verknittert, und das Haar klebte auf seiner Stirn.
    Plötzlich wurde sie sich der Lächerlichkeit ihrer Situation bewusst. Es war ein Moment, in dem sie sowohl weinen als auch lachen hätte können. Sie lächelte ihn an.
    Er zögerte, sah in ihre Augen, dann lächelte er allmählich zurück und setzte sich auf die andere Seite des Bettes. Schließlich begann er zu lachen, streckte die Arme aus und zog sie an

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