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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bebten. Der Schweiß rann seinen Körper entlang. Welch eine Hitze! Es war wie in einem Backofen.
    Nein, es war keine Panik. Nicht bei ihm! Aber die Truppen der Union waren in kompletter Auflösung begriffen, rannten auf ihn zu, warfen Waffen und Patronengürtel und alles von sich, was ihre Flucht behinderte.
    Blindes Entsetzen trieb sie an.
    Monk wirbelte auf dem Absatz herum und stürmte zurück in die Kirche.
    »Sie sind auf dem Rückzug!«, schrie er. »Sie stürmen alle auf die Straße Richtung Washington zu! Packt die Verwundeten und macht, dass ihr hier herauskommt. Jeder, der laufen kann, tue das!«
    Hester fuhr herum und starrte ihn an. Ihre Augen waren ruhig und sahen ihn fragend an. Es dauerte nur einen Augenblick, bis sie ihm Glauben schenkte.
    »Raus!«, befahl sie. »Merrit, du bleibst bei mir!« Ihre Augen fixierten immer noch Monk. Sie hatte den Grund ihres Kommens nicht vergessen.
    Draußen ertönte aus nächster Nähe ein Kugelhagel.
    Als ob es der Beweis gewesen wäre, den er gebraucht hatte, setzte sich der Chirurg endlich in Bewegung. Er drängte sich an ihr vorbei und rannte zur Tür, die anderen folgten ihm auf den Fersen.
    Draußen blieben sie abrupt stehen. Eine kleine Abordnung der Kavallerie der Rebellen war nur noch einen Steinwurf entfernt und näherte sich schnell. Eine Kugel pfiff an Hester vorbei und bohrte sich in die Kirchenwand. Holzsplitter schwirrten um sie herum. Einer streifte ihre Hand, und unwillkürlich japste sie nach Luft. Die Rebellen blieben stehen, und der Arzt trat vor, um mit dem Offizier zu sprechen.
    »Dies ist ein Feldlazarett«, sagte er mit zitternder Stimme.
    »Werden Sie uns freies Geleit gewähren, um unsere Verwundeten zu evakuieren?«
    Der Offizier schüttelte den Kopf. »Tun Sie, was Sie können, aber ich kann Ihnen nichts versprechen.« Er musterte ihn von oben bis unten. »Aber Sie selbst kommen mit uns… nach Manassas Junction.«
    Der Arzt bettelte, aber die Rebellen ließen kein Argument gelten. Zehn Minuten später waren sie verschwunden und der Arzt mit ihnen. Monk, Hester, Merrit und die beiden Ordonnanzen blieben allein zurück, um den Verwundeten zu helfen.
    Sie trugen Männer zu Karren und waren gerade zum Aufbruch in Richtung Centreville und Washington bereit, als ein Kavallerieoffizier der Union herangeritten kam. Sein Arm hing in einer Schlinge vor seiner Brust, und sein Waffenrock war dunkel vor Blut.
    »Ihr müsst Euch westlich halten!«, rief er. »Ihr könnt nicht über den direkten Weg. Die Brücke über den Cub Run River ist blockiert. Auf ihr ist ein Karren umgestürzt, und überall lungern Zivilisten herum, Schaulustige aus Washington, die die Schlacht beobachten wollten, mitsamt Picknickkörben und allem. Jetzt werden sie überrannt, und nichts und niemand kommt mehr durch… nicht einmal mehr die Ambulanzen.« Er winkte mit seinem gesunden Arm. »Ihr müsst in diese Richtung.«
    Er riss sein Pferd herum und preschte davon. Schnell verschwand er in den Staub und Rauchwolken.
    »Hat die Union nun wahrhaftig verloren?«, fragte Hester mit kläglicher Stimme.
    Monk stand neben ihr. In der momentanen Stille konnte er seine Antwort leise genug geben, um kaum von Merrit verstanden zu werden.
    »Diese Schlacht, ja, wie es aussieht. Ich weiß allerdings nicht, was weiter geschehen wird.« Er konnte kaum glauben, was der Kavallerist gesagt hatte. »Wer, auf Gottes Erden, würde sich freiwillig dies alles ansehen?«
    Doch der Schock, den er auf Hesters Gesicht zu sehen erwartete, zeigte sich nicht. Verwirrt starrte er sie an. Warum war sie nicht entsetzt?
    Sie las seine Gedanken.
    »Dasselbe passierte auch damals auf der Krim«, sagte sie traurig. »Ich weiß nicht, was das ist… ein Mangel an Vorstellungskraft vielleicht. Manche Menschen können sich nicht in den Schmerz anderer hineindenken. Wenn sie ihn nicht selbst spüren, dann ist er nicht real.« Dann setzte sie sich erneut in Bewegung, sammelte die wenigen Habseligkeiten zusammen, die am allerwichtigsten waren, und reichte jedem, der noch etwas tragen konnte, einige Feldflaschen.
    Das Gewehrfeuer kam ständig näher, aber es war jetzt nur noch sporadisch zu hören.
    Merrit stand starr vor Schrecken da. In der Ferne konnten sie den eigenartig hohen Schrei der Rebellen hören.
    »Wo ist Trace?«, fragte Hester nervös.
    Monk traf seine Entscheidung in dem Augenblick, in dem er zu sprechen begann. »Er hat sich in das Kampfgeschehen gemischt. Er ist verteufelt wild darauf, Breeland zu

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