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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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finden, was auch immer passieren mag. Wir werden uns nach Süden wenden müssen, wenn wir hier weg wollen. Nimm Merrit mit. Es wird schwer sein, aber ich denke, den Weg aus diesem Chaos hier zu finden und Breeland in den Reihen seiner eigenen Leute zu erwischen, ist nahezu unmöglich.«
    Ihre Stimme versagte einen Augenblick lang. »In diese Richtung?« Sie warf einen Blick in Richtung des Gewehrfeuers. Aber schon während sie noch protestierte, konnte er in ihrem Gesicht lesen, dass sie die Wahrheit in seinen Worten begriff. »Wird es uns gelingen, Trace zu finden?«
    Einen Moment lang erwog er, zu lügen. War es seine Verantwortung, sie zu trösten, sowie Stärke und Hoffnung zu zeigen, ungeachtet der Wahrheit? Sie hatten sich gegenseitig noch nie mit bequemen Ausreden verwöhnt. Tatsächlich hatten sie die ersten ein oder zwei Jahre ihrer Bekanntschaft damit verbracht, so schroff und brutal aufrichtig wie nur möglich zu sein. Jetzt weniger als das zu tun, wäre eine Absage an all das gewesen, was es zwischen ihnen an Wertvollem gab, eine schreckliche Herablassung, als wenn sie durch die Heirat mit ihm seine Freundschaft verwirkt hätte.
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete er mit einem Lächeln, das ein wenig irr und gaunerhaft wirkte.
    Ein Funken von Humor – gleichzeitig ein Anflug von Furcht – in ihren Augen war ihre Antwort.
    Er wandte sich mit dem sicheren Wissen um, dass sie ihm folgen und Merrit mitbringen würde. Wenn es sein müsste, würde sie sie mitzerren. Doch würde das Mädchen nicht freiwillig mitkommen, Breeland entgegen?
    Die Schlacht war zur Flucht geworden, Männer rannten und stolperten in alle Richtungen, die sie vom Kampf weg und auf die Straße zurück nach Washington führen würde.
    »Komm!« Hesters Stimme unterbrach seine Gedanken, er spürte ihren Arm auf seinem Ärmel und zuckte zusammen.
    Sie warf einen Blick auf seinen Arm.
    »Es ist nichts«, beeilte er sich zu sagen. »Nur ein Kratzer.«
    Einen Moment lang kniff sie die Augen zusammen.
    »William… wie konnten sie es nur so weit kommen lassen? Ich dachte, wir wären die Einzigen, die so… so arrogant stupide sind!«
    »Offenbar nicht… arme Teufel«, antwortete er. Sie zog nicht weiter an seinem Arm. Jetzt war er es, der sich zum Gehen wandte, dabei nach ihrer Hand griff und sie hinter sich her zerrte, bis sie aufhörte, sich umzusehen.
    Gemeinsam liefen die drei gegen den Strom der Flüchtenden, geradewegs auf die Truppen der Konföderierten zu. Dabei hielten sie ständig Ausschau nach Philo Trace, der sich mit seinem hellen Jackett und der hellen Hose von all dem Blau und Grau abheben musste.
    Zweimal rief Monk flüchtenden Unionstruppen den Namen von Breelands Regiment zu. Das erste Mal schenkte ihm niemand Aufmerksamkeit; das zweite Mal deutete jemand wie wild mit dem Arm in eine unbestimmte Richtung. So gut sie es zu beurteilen vermochten, wandten sie sich in die angegebene Richtung.
    Der Boden war von Körpern übersät. Den meisten Männern konnte nicht mehr geholfen werden. Einmal hörten sie jemanden schreien, woraufhin Hester so abrupt stehen blieb, dass sie Monk fast aus dem Gleichgewicht gebracht hätte.
    Ein Mann lag mit zwei zerschmetterten Beinen auf der Erde, unfähig, sich zu bewegen, um sich Hilfe zu suchen. Hester starrte ihn an. Monk wusste, dass sie entsetzt war und gleichzeitig versuchte zu beurteilen, was sie tun konnte, um ihm zu helfen – oder ob er ohnehin sterben würde.
    Monk drängte es danach, seinen Weg fortzusetzen und nicht einen Blick auf das Leiden werfen zu müssen, das Blut und die Verzweiflung im Gesicht des Mannes. Aber obwohl ihn der Anblick abschreckte, wusste er doch, dass er unwiderruflich etwas Wunderbares verloren hätte, wenn Hester ihren Weg fortgesetzt hätte. Er hätte sie nicht weniger geliebt, aber die brennende Bewunderung, die er für sie hegte, hätte sich abgekühlt.
    Tränen strömten über Merrits erschöpftes Gesicht. Sie war in das Reich der Albträume eingetreten, in dem eine Bewegung kaum mehr als Wirklichkeit wahrgenommen wurde.
    Hester beugte sich zu dem Mann hinunter und begann mit ihm zu sprechen, ruhig und mit einer sachlichen Stimme. Sie versuchte, den zerrissenen, zerfetzten Stoff aus den Wunden zu ziehen, damit sie erkennen konnte, wie schwer der Knochen verletzt war.
    Monk machte sich auf die Suche nach Gewehren, die flüchtende Männer zurückgelassen hatten. Er nahm zwei davon mit, brach die zersplitterten Schäfte ab und kehrte mit den langen,

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