In den Fängen der Macht
wurde der Geruch unerträglich. Hester ignorierte die aufsteigende Übelkeit und machte sich an die Arbeit.
Der Kampf am Henry Hill zog sich den ganzen drückend heißen Nachmittag dahin. Zuerst hatten Monk und Trace den Eindruck, die Union würde ihn gewinnen. Das wäre ein vernichtender Schlag für die Konföderierten gewesen. Vielleicht hätte es sogar genügt, um den Konflikt zu beenden. Dann hätte man mit den diplomatischen Verhandlungen beginnen können und wäre möglicherweise gar zu der Übereinkunft gelangt, dass solches Blutvergießen ein zu hoher Preis war, um einem Volk eine Union aufzuzwingen, das bereit war, eher zu sterben, als diese zu akzeptieren.
Doch am späten Nachmittag bekamen die Konföderierten Verstärkung, und am Henry Hill versammelten sich die Soldaten gegen das, was MacDowell aufzubieten hatte. Henry House selbst schien unerreichbar. Monk, der sich am Matthews Hill seitlich in ein Stück Unterholz gekauert hatte und über den Fluss schaute, der sich, wie ihm gesagt worden war, Young’s Branch nannte, sah, dass die konföderierten Truppen die Spitze des Hügels hielten. Unionisten hatten wieder und wieder versucht, ihn mit hoch gehaltenen Standarten zu erstürmen, waren aber jedes Mal zurückgeschlagen worden.
Nur zwanzig Schritte von Monk entfernt waren Soldaten. Das Donnern der Kanonen war ohrenbetäubend. Fortwährend krachten Musketen, und ab und zu pfiff eine Kugel an ihm vorbei und Erde spritzte auf, wenn sie in den Boden schlug. Eine hatte Monks Arm gestreift, so dass nun scharlachrotes Blut hervorquoll. Der Schmerz schockierte ihn, obwohl er gering war, verglichen mit den Todesqualen, die andere erleiden mussten.
»Ich werde diesen Bastard finden!«, schrie Trace über das Getöse hinweg. »Der Ausgang dieser Schlacht interessiert mich einen feuchten Kehricht, aber er entwischt mir nicht…« Bitter zuckte er die Achseln.
»Außer, er ist bereits tot. Dann ist mir der Teufel zuvorgekommen. Aber wenn Gott auf meiner Seite ist, dann werde ich ihn als Erster zu fassen kriegen.« Er legte die Hand über die Augen und starrte von der Stelle, an der er kniete, über den Young’s Branch und hinüber zum Henry Hill. Die Linien der Union erstreckten sich zur Rechten bis zur Chinn Ridge und zur Linken bis zum Henry Hill.
Der Wind drehte sich leicht und wehte Qualmwolken über das Kampfgeschehen. Eine Kanonenkugel pfiff an ihnen vorbei, mähte durch einige Bäume und riss dabei mehrere Äste ab.
Monk fragte sich, warum Trace sich nicht selbst dem Kampf anschloss. Warum war er so versessen darauf, Breeland zu verfolgen und gab dieser Aufgabe den Vorrang? Sie schien ihm das Gleichgewicht geraubt zu haben, er wirkte regelrecht besessen davon. Monk kämpfte nicht. Dies war nicht sein Krieg. Er gab keiner der beiden Seiten den Vorzug. Der Frage der Sklaverei widmete er keine Sekunde lang auch nur einen Gedanken. Er war unwiderruflich dagegen, aber er konnte die Konföderierten verstehen, dass die ökonomische Unterdrückung durch den Norden tatsächlich keinerlei Erleichterung für die Armen brachte. Tief verwurzelte Institutionen konnten nur allmählich verändert werden, und Gewalt schuf hier keine Abhilfe.
Am allerwenigsten verstand er allerdings den leidenschaftlichen Einsatz für die Union des Landes, was er für eine rein intellektuelle Theorie hielt. Ihm gingen die verstümmelten, verkrüppelten, blutenden Männer hier auf diesen staubigen Hügeln nahe. Dabei machte er keinen Unterschied zwischen Unionisten und Konföderierten. Sie alle waren gleichermaßen aus Fleisch und Blut, hatten Leidenschaften, Träume und Ängste. Zum ersten Mal verstand er, was Hester empfinden musste, wenn sie, ohne Unterschiede zu machen, Freund und Feind gleichermaßen betreute und dabei nur an den Menschen dachte.
Er wagte es kaum, an Hester zu denken. Er sah die Verwundeten und Sterbenden um ihn herum und hatte keine Ahnung, wie er ihnen helfen könnte. Der Anblick verursachte ihm Übelkeit. Seine Hände zitterten und seine Beine trugen ihn kaum mehr.
Schwindelig vor Ekel ertrank er fast in dem Abscheu vor dem Geschehen. Wie konnte sie nur einen klaren Kopf behalten und den Schmerz und die grauenhaften Verstümmelungen ertragen? Sie verfügte über eine Stärke, die jenseits seiner Vorstellungskraft lag.
Philo Trace ließ den Blick über den Hügel vor ihnen schweifen, versuchte anscheinend eine Uniform oder wenigstens die Farben der Schlachtstandarten zu erkennen, um daraus zu schließen, wo
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