In den Fängen der Macht
Breeland sich aufhalten könnte.
»Würden Sie sich da hineinwagen, um ihn zu suchen?«, schrie Monk ihm zu.
»Ja«, rief Trace, ohne sich zu ihm umzudrehen. »Jeder Südstaatler kann für die Konföderation und unser Recht, über unser eigenes Schicksal zu entscheiden, kämpfen. Aber ich bin der Einzige, der Breeland nach England zurückbringen und jedermann vor Augen führen kann, wer er ist… wessen ein Waffenkäufer der Union fähig ist, um an Gewehre zu kommen.«
Monk erwiderte nichts. Er verstand ihn, und das jagte ihm einen Schrecken ein. Er hatte schon vorher Verbrechen und Armut erlebt, persönlichen Hass und Ungerechtigkeit. Aber dies hier hatte ein Ausmaß an Ungeheuerlichkeit angenommen, ein nationaler Wahnsinn, vor dem es kein Entrinnen gab.
Drüben auf dem Henry Hill töteten und starben Männer, und keine der beiden Seiten schien Boden zu gewinnen.
Trace machte sich auf den Weg den Abhang hinunter auf Chinn Ridge zu. Monk zog sich zurück.
Auf dem Boden lagen verwundete Männer, von Blut und Schmutz bedeckt, mit verdrehten Gliedmaßen, Seite an Seite mit den Toten. Karren waren umgestürzt, das Holz zersplittert, Gewehrläufe waren verbogen und zielten in den Himmel, Räder waren von den Achsen gebrochen.
Monk tat, was in seiner Macht stand, um zu helfen, doch er verfügte weder über Wissen noch über Fertigkeiten, auf die er sich hätte berufen können.
Er wusste nicht, wie man einen Knochen einrichtete, wie man eine Blutung stillte, wen man bewegen durfte und wem man Schaden zufügte, wenn man ihn bewegte. Die Hitze verbrannte seine Haut und schnürte ihm die Kehle zu, Schweiß blendete seine Augen, und nasser Stoff rieb die Haut über dem Streifschuss an seinem Arm wund. Erbarmungslos brannte die Sonne herunter, alles war voller Fliegen.
Wieder und wieder kletterte er die Böschung zum Fluss hinunter und füllte Feldflaschen auf und trug sie durch den Kugelhagel zurück, um sie den Verwundeten an die Lippen zu halten.
Er trug Männer in die Feldlazarette, wo man mitten auf dem Gras der Hügel tat, was möglich war, um ihre Blutungen zu stillen, Wunden zu bandagieren, Knochen zu schienen.
Um halb fünf Uhr entdeckte er Merrit, die ebenfalls Wasser holte und bei Verwundeten stehen blieb, die fähig waren zu trinken.
Ihre Röcke waren zerrissen, und sie sah erschöpft aus, fast wirkte sie wie eine Schlafwandlerin. Ihr Gesicht war aschfahl und ihre Augen vom unsäglichen Grauen erfüllt. Er war nicht sicher, ob sie ihn überhaupt erkannte.
Gemeinsam halfen sie einem Mann mit einem schlimmen Beinbruch auf einen Karren, ebenso einem anderen mit einer zertrümmerten Hand, zwei weiteren mit schwer blutenden Brustwunden. Dann zog Monk den Wagen über den unebenen Boden, zerrte sich dabei die Schulter und spürte, wie seine Muskeln schmerzten. Der Streifschuss an seinem Arm schien nicht mehr zu bluten.
Frei laufende und unverletzte Pferde waren weit und breit nicht zu sehen. Er hasste es fast mehr, ein verletztes Tier als einen verletzten Menschen zu sehen. Tiere hatten den Kampf nicht gewählt. Sie waren Lebewesen, die keinen Anteil an Kriegen hatten. Aber er wusste, dass er dies nicht laut aussprechen durfte. Vielleicht hatte auch die Mehrzahl der Männer nicht aus freien Stücken an diesem Krieg teilgenommen.
Er zerrte den Wagen bis zu einer Stelle nur wenige Schritte vor dem Feldlazarett in Sudley Church. Weiter schaffte er es nicht mehr. Er und Merrit halfen den Männern vom Wagen, woraufhin sie sich gegenseitig stützend die letzten Meter weiterschleppten.
Das Gewehrfeuer hinter ihnen schien näher gekommen zu sein, als ob die Rebellen den Henry Hill gehalten hätten und nun in ihre Richtung herunterstürmten.
Im Inneren der Kirche entdeckte er Hester. Augenblicklich erkannte er sie an ihrer aufrechten Haltung, während sie sich flink und gewandt bewegte. Ihr Haar war am Hinterkopf zusammengefasst, und eine dünne Strähne fiel über ihren Rücken. Ihre Röcke waren dreckig, und sogar auf dem Rücken hatte sie einige Blutspritzer und Flecken.
Sein Herz machte einen Sprung. Seine Augen brannten von den Tränen des Stolzes, und in ihm stieg eine derartig heftige Bewunderung auf, dass er sekundenlang nur Augen für sie hatte. Der Rest des Raumes war lediglich eine dunkle Wolke am Rande seines Gesichtsfeldes, andere Menschen existierten plötzlich nicht mehr, nicht die Verwundeten, nicht ein ruhig dastehender Mann in blauer oder grauer Uniform, nicht die fremde Frau, die auf dem Boden
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