In den Faengen der Nacht
seinem Computer auf. »Was ist los? Sagt es dir nicht zu, ein Dark-Hunter zu sein?
Nick verzog den Mund. »Halt den Mund, du Arsch.«
»Arsch?« Kyl war aufgebracht. »Was, zum Teufel, ist mit dir los, Junge? Ich dachte, wir wären Freunde. Und zwar die allerbesten Freunde.«
»Kyl«, blaffte Otto und setzte sich neben Nick, »hör auf.«
Kyl hob die Arme. »Meinetwegen.«
Susan sah auf, als sich die Tür wieder öffnete, und erstarrte, ihr Truthahnsandwich auf halbem Weg zum Mund. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie einen Mann an, den sie seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte … und er hatte sich kein bisschen verändert. Wirklich kein bisschen – keine Falte, nicht ein graues Haar.
Er sah noch immer umwerfend gut aus. Ungefähr eins achtzig groß, mit kurzem tintenschwarzem Haar, das seine asiatischen Gesichtszüge voll zur Geltung brachte.
Sie legte ihr Sandwich auf den Tisch zurück. »Sensei?«
Ihm klappte die Kinnlade herunter, und sie entdeckte ein Paar Fangzähne, die sie irgendwie immer übersehen hatte in den zwei Jahren, in denen sie in seinem Studio trainiert hatte. »Susan?«
Ravyn ließ neugierig seinen Blick vom einen zum anderen wandern. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geschworen, in seinen dunklen Augen eine Andeutung von Eifersucht zu sehen. »Du kennst Dragon?«
Susan nickte.
Ravyn sah alles andere als erfreut aus. »Wie gut kennst du ihn?«
»Sie war eine von meinen Schülerinnen im Dojo«, sagte Dragon und lächelte sie an. »Eine meiner besten Schülerinnen, möchte ich hinzufügen.«
Susan starrte ihn weiter ungläubig an. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du hier bist. Andererseits erklärt das sehr vieles.«
Ravyn entspannte sich und lachte. »Lass mich mal raten: Tagsüber war nie ein Kurs frei, und es gab immer eine Menge Notfälle in der Familie, weshalb er zu merkwürdigen Zeiten das Studio verließ?«
Das stimmte. Dragon war ein großartiger Lehrer gewesen. Er hatte zwei Assistenten gehabt, die oft darüber Witze machten, dass er losflitzte wie Superman, der einen Kriminellen jagte. Wer weiß, wie nahe sie an der Wahrheit gewesen waren?
Susan schüttelte den Kopf. »O Mann … ihr Typen seid wirklich überall, was?«
»Ja«, sagte Dragon. »Das erklärt, warum ich hier bin, aber nicht, wie es kommt, dass du in unserer Gesellschaft bist.«
»Sie ist ein neuer Squire«, sagte Leo und nahm am Kopfende des Tisches Platz.
Dragon trat auf sie zu und streckte ihr die Hand hin. »Willkommen in unserer Welt. Es ist schön, dich wiederzusehen.«
Sie schüttelte ihm die Hand und lächelte. »Geht mir genauso.«
Als er sich auf den Stuhl neben ihr setzen wollte, räusperte sich Ravyn.
Dragon zog eine Augenbraue hoch und hielt inne. Sie konnte ihm ansehen, dass er mit sich rang, ob er sich hierhersetzen und Ravyn erzürnen sollte oder nicht. Er zwinkerte ihr zu und setzte sich auf die andere Seite von Ravyn.
»Kennst du Ravyn schon lange, Susan?«, fragte Dragon.
»Kürzlich kennengelernt.«
»Aha …«
»Themenwechsel, Dragon«, sagte Ravyn und zupfte die Tomaten von seinem Sandwich.
Dragon schob die Hände in die Taschen seines schwarzen Anoraks und warf ihnen einen wissenden Blick zu.
Susan spürte, wie sie errötete. Dragon begann mit Leo über die neueste Geschichte im Inquisitor zu reden, ein außerirdisches Baby, das man auf Grönland gefunden hatte.
Während sie sich unterhielten, fiel Susan etwas an Nicks Hand auf. Er hatte genau dieselbe Tätowierung, ein Spinnennetz, wie Leo und die anderen. Das war doch sehr interessant …
Der nächste Dark-Hunter, der eintraf, war ein früherer nubischer Priester namens Menkaura. Er war groß und schlank, und seine Haut hatte die Farbe von Mokka. Er trug sein langes schwarzes Haar in geflochtenen Zöpfen, die im Nacken zusammengebunden waren. Aber was sie an ihm am meisten faszinierte, war, dass er schwarze Jeans und ein schwarzes ärmelloses Gewand trug, das eine Tätowierung des Auges von Horus auf seinem rechten Bizeps sehen ließ. Darunter stand eine Zeile winziger Hieroglyphen.
»Ich muss unbedingt wissen, was das bedeutet«, sagte sie und zeigte auf die Tätowierung.
Er schaute darauf und antwortete: »›Der Tod ist eine Tür. Denk nach, bevor du anklopfst‹.«
»Das ist tiefsinnig.«
Er neigte den Kopf, und Jack schnaubte gereizt. »Verflixt, und ich dachte immer, da stünde so was wie: ›Stirb, du Dreckskerl, stirb!‹ Wie enttäuschend!«
An Menkauras gequältem
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