In den Faengen der Nacht
den Kopf.
Susan gefiel der Gedanke gar nicht, ein Bissen für die Daimons zu sein, ihm ebenso wenig.
»Mach dir keine Sorgen, Susan. Ich denke nur laut nach.« Er ging auf sie zu und überreichte ihr den braunen Aktendeckel.
»Was ist das?«
»Ein Geschenk von Leo.«
Susan legte ihn zur Seite und beobachtete, wie Ravyn sich an die Wand zurückzog. Irgendetwas stimmte tatsächlich nicht mit ihm. Es war, als spürte er etwas, das sie nicht spüren konnte, und es erinnerte sie an ein Tier, das an die Wand starrte. »Hallo?«
Er schaute zu ihr hinüber.
»Ich wollte dich etwas zu einer Sache fragen, die Erika vorhin gesagt hat und die dich betrifft.«
Er blickte sie böse an. »Ich trage im Bett keine purpurfarbenen Unterhosen, und ich spiele auch nicht mit Katzenspielzeug, wenn man es mir hinwirft.«
Susan war von dieser unerwarteten Antwort überrascht. Aha, es war offensichtlich, dass dieser Mann einige verborgene Empfindlichkeiten hatte.
»Wer sagt denn so was? Wovon sprichst du eigentlich?«, fragte sie lachend.
Er schaute sie verdutzt an. »Hat sie das nicht über mich erzählt? Normalerweise … und ganz bestimmt ist es nicht wahr.«
Susan konnte nichts erwidern, weil sie ihr Lachen unterdrückte. Aber er würde es wahrscheinlich nicht lustig finden, dass sie darüber lachte. Ihr Mund öffnete und schloss sich wie der eines Guppys, während sie nach einer passenden Antwort suchte.
Schließlich hatte sie sich so weit unter Kontrolle, um wieder sprechen zu können. »Tja, dafür, dass du keine Unterwäsche trägst, kann ich bürgen. Aber was das andere angeht … das könnte interessant sein. Vielleicht sollten wir mal ein Experiment durchführen?«
Ravyn schüttelte den Kopf. »Was war denn deine Frage?«
Susan zögerte und überlegte, was er antworten könnte. Ganz zu schweigen davon, dass sie fasziniert war von dem schroffen Eindruck, den er machte; er stand im Zimmer, als ob er bereit wäre, mit jemandem zu kämpfen. »Erika hat gesagt, dass du es zur Regel gemacht hast, Leuten niemals mehr als vierundzwanzig Stunden in deiner Nähe zu gestatten.«
Er nickte. »Das stimmt.«
Sie konnte sich nicht vorstellen, wie er diese Art von Isolation ertragen konnte. Sie war gern allein, aber nicht immer. Es gab ganz klar Zeiten, wo sie gern Freunde um sich hatte. Oder, um ehrlich zu sein, Zeiten, wo sie es brauchte, dass jemand bei ihr war. »Warum?«
Er machte ein merkwürdiges Gesicht und ein interessantes Geräusch. »Ist dir schon mal aufgefallen, dass die meisten Leute wahnsinnige Nervensägen sind? Ich möchte mir den Ärger ersparen, mit ihnen auskommen zu müssen, und fange damit an, dass ich ganz einfach vermeide, zu lange in ihrer Nähe zu sein.«
Obwohl das ehrlich klang, kaufte sie es ihm nicht ab. Die Antwort klang zu automatisch, als ob er sie oft geübt hätte. In seine Augen trat eine merkwürdige Leere, wann immer er nicht ehrlich war oder wenn er etwas verbarg.
Und diesen Blick hatte er jetzt.
Sie ging zu ihm hinüber. Sie standen so nahe beieinander, dass sie die Hitze seiner Haut spüren konnte. Sie roch den scharfen, prickelnden Geruch seines Rasierwassers. Sein Ausdruck wurde wachsam.
»Sprich mit mir, Ravyn.«
Er schaute zur Seite, und ein Schleier zog sich über seine Gesichtszüge. Susan legte ihre Hand auf den Muskel, der in seinem Gesicht zuckte. Die dunklen Barthaare seiner Wange kratzten sanft über ihre Handfläche, und sie fühlte sich ihm innerlich verbunden. Es erinnerte sie an die Zähmung eines Wildtiers.
Seine Augen flackerten, als ob ihr Verhalten ihn irritieren würde. »Ich brauche dich nicht, damit du mich tröstest, Susan. Ich bin kein Kind.«
»Gut«, sagte sie ernst, »denn ich bin kein Kindermädchen. Ich persönlich gehe den meisten Kindern aus dem Weg, da sie ungezogen sind, sich schlecht benehmen und normalerweise wie merkwürdige Saftarten und gemischte Früchte riechen.« Sie runzelte die Stirn, denn in diesen Worten fand sie doch ein bisschen Humor. »Moment mal, wenn ich’s mir richtig überlege, erinnerst du mich doch an ein Kind.«
Er schaute sie verärgert an.
Sie lächelte ihn an und tätschelte spielerisch seine Wange. Etwas, das sie daran erinnerte, dass sie tatsächlich einen wilden Leoparden streichelte, der ihr den Arm abreißen konnte, wenn er wollte. Dieser Gedanke verursachte ein merkwürdiges Gefühl in ihr. Sie spielte hier wirklich mit dem Feuer.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Ich konnte einfach nicht widerstehen.« Sie ließ
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