In den Faengen der Nacht
vorwarnen.«
Susan war seiner Meinung. Sie dachte, dass sie beide eigentlich nicht hier sein sollten. Sie schaute sich in der stillen, dunklen Straße um. Es war eine Wohngegend der gehobenen Mittelklasse, und nirgendwo brannte Licht, keine Bewegung war auszumachen. Es sah ganz so aus, als wären sie und Ravyn die beiden letzten Menschen auf der Welt.
Es war ein bisschen unheimlich.
»Glaubst du, sie sind schon zu Hause?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht. Es wird bald dämmern. Ich bin sicher, er muss heute arbeiten. Wenn sie noch nicht hier sind, dann werden sie aber sicher bald kommen.«
Sie nickte und runzelte die Stirn. »Das ist vielleicht eine blöde Frage, aber könntest du mich bei Laune halten?«
»Klar.«
»Was genau werden wir hier unternehmen?«
Er sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. »Der Plan sieht folgendermaßen aus: Wir kämpfen gegen die Bösen und tragen den Sieg davon.«
Sie nickte. »Ein gutes Konzept. Und wie wird es ausgeführt?«
»Keine Ahnung.« Er stieg aus und schlug die Tür zu.
Susan staunte, sprang aus dem Auto und holte ihn am Straßenrand ein. »Einen Moment mal. Das ist doch wohl ein Witz, oder?«
»Nein«, sagte er völlig ernsthaft, »ich werde in dieses Haus einbrechen und ihm entgegentreten.«
Sie lachte spöttisch. »Darf ich dir sagen, wie dumm ich deinen Plan finde?«
»Das hast du gerade getan.« Er drückte ihr die Autoschlüssel in die Hand mit dem Zeichen und bog ihre Finger darüber. »Du kannst jederzeit verschwinden. Ehrlich gesagt, ich wäre froh, wenn du es tätest.« Er ging weiter.
Sie blieb stehen. »Du wirst auf diese Weise in den sicheren Tod gehen, Ravyn. Begreifst du das nicht?«
Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer. »Ich bekämpfe Daimons, Susan. Dafür bin ich geschaffen worden.« Er warf einen Blick zum Himmel, der mit jeder Minute heller wurde. »Außerdem ist das ein überflüssiges Argument. Ich schaffe es nicht, vor Anbruch der Dämmerung ins Serengeti zurückzukehren. Heute geht es zu Ende. Und zwar nach meinen Spielregeln. Nicht nach seinen.«
»Bei Anbruch der Dämmerung. Wie klischeehaft.«
Er schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging auf das Haus des Polizeichefs zu.
Susan stand unentschieden da. Alles in ihr schrie danach, in Phoenix’ Auto zu steigen und so schnell wie möglich zu verschwinden. Immer weiter zu fahren, bis das alles hier weit hinter ihr lag.
Aber als sie zu Ravyn blickte, wusste sie, dass sie das nicht machen konnte. Er war jahrhundertelang allein gewesen. Wenn er wirklich in sein Verderben rennen wollte, dann würde sie mit ihm gehen.
Du bist eine Idiotin.
Ja, das war sie. Und vielleicht würde auch sie an diesem Morgen sterben. Aber zumindest hätte sie dem Mann gegenübergestanden, der für den Tod von Angie und Jimmy verantwortlich war. Das war sie ihnen einfach schuldig. Und sie wollte dem Mann, der für dieses Schicksal verantwortlich war, ins Auge schauen und ihm persönlich sagen, was für ein verdammter Dreckskerl er war.
Sie schob die Schlüssel in die Tasche, rannte los und holte Ravyn ein.
Ravyn hatte nicht erwartet, dass Susan ihn begleitete, aber als er spürte, wie sie an seiner Hand zog, musste er innerlich lächeln. Er verschränkte seine Finger mit ihren, dann führte er sie hinten herum zu dem Haus.
»Glaubst du, es gibt hier eine Alarmanlage?«, flüsterte Susan, als Ravyn ein Fenster ausgemacht hatte, das tief genug lag, damit sie dort einsteigen konnten.
»Wahrscheinlich.«
»Und wie kommen wir dann rein?«
Er legte seine Hand auf die Fensterscheibe und schloss die Augen, um zu erspüren, ob es rund um das Fenster irgendetwas Elektronisches gab. Das war der Fall. Er legte beide Hände auf das Glas und benutzte seine Kräfte, um die elektrische Verbindung auszuschalten. Dann entriegelte er das Fenster und schob es auf.
Es war still, die Alarmanlage hatte keine Störung gemeldet.
Susan schüttelte den Kopf. »Wie machst du das?«
»Er ist ein Zauberer, Mama«, sagte er, ein Zitat aus einem Lied von Heart, grinste und hob sie hoch, damit sie durchs Fenster einsteigen konnte.
Sobald sie sicher drinnen war, kam er nach, schob das Fenster herunter und verriegelte es. Er nahm sich die Zeit, die Vorhänge wieder genauso wie vorher zu arrangieren.
Im Haus war es dunkel und still. Vor jedem Fenster hingen schwere, goldbraune Vorhänge, die keinen einzigen Sonnenstrahl durchließen. Es war ganz klar die Behausung von Leuten, die in der Nacht unterwegs waren und kein Sonnenlicht
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