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In den Faengen der Nacht

In den Faengen der Nacht

Titel: In den Faengen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherrilyn Kenyon
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ganz klar, dass er sehr viel länger allein gewesen war als Susan.
    Als er fertig war, half sie ihm beim Anziehen und Händewaschen. Susan hielt inne, als sie ihm die Hände einseifte. Sie waren nicht zart, sondern lang und schwielig und von Narben bedeckt. Eine davon war besonders breit und tief und zog sich über seinen ganzen Unterarm. Eine andere sah so aus, als hätte jemand versucht, ein großes Stück aus ihm herauszubeißen. Bei diesem Anblick drehte sich ihr der Magen um. Ihr Leben und ihre Sorgen schienen im Vergleich dazu geradezu leicht.
    »Deine Berührung ist so zart«, flüsterte er. »Wie die Flügel eines Schmetterlings.«
    Es war dumm, aber diese Worte berührten etwas tief in ihr. Nein, nicht so sehr die Worte als vielmehr das Gefühl, das sie in seiner Stimme hörte. Der Ton, der ihr verriet, dass er an eine solch zarte Berührung nicht gewöhnt war.
    »Danke«, sagte sie, spülte ihm die Hände ab und trocknete sie mit einem kleinen Handtuch.
    Er legte seine feuchte Hand an ihr Kinn und drehte ihren Kopf, bis sich ihre Blicke begegneten. »Du bist so unglaublich schön.«
    O ja, der Mann war ganz klar high. Susan war zwar nicht Quasimodo, aber auch nicht dumm. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die die Männer schön fanden. »Ja, ja. Du willst doch nur, dass ich mit dir schlafe.«
    »Nein«, sagte er mit tiefer Stimme, »du bist schön … wie ein Engel.« Er drückte seine Stirn an ihre und gab ihr den zärtlichsten Kuss, den sie je bekommen hatte. Etwas in ihr schmolz dahin, als er die Arme um sie schlang und sie festhielt, aber nicht wie ein Mann, der scharf und darauf aus war, sie flachzulegen, sondern wie jemand, der wahrhaftig etwas für sie empfand. Und das löste einen Schmerz aus, der so tief in ihr saß, dass es ihr die Kehle zuschnürte.
    Ihr ganzes Leben lang hatte sie nur eines gewollt: geliebt zu werden, wieder eine Familie zu haben. Und dieser Kuss erinnerte sie daran, was sie nicht hatte. Daran, was sie sehr wahrscheinlich nie wieder haben würde. Und der Schmerz, der aus diesem Gedanken erwuchs, überspülte sie wie Eiswasser.
    »In Ordnung, Ravyn, wir müssen dich ins Bett zurückbringen.« Sie erwartete, dass er protestieren würde. Stattdessen nickte er nur, zog sich von ihr zurück und öffnete die Tür.
    »Kätzchen«, sagte er, als er Erika sah, »wann bist du denn so groß geworden?«
    Sie schaute Susan völlig perplex an. »Ich bin gewachsen, während du im Bad warst.«
    »Ach, wirklich?«
    Erika schnaubte. »Weißt du, das ist eine große Verbesserung gegenüber seinem normalen Zustand. Ich glaube, das gefällt mir. Wir müssen unbedingt rausfinden, was es ist, und es ihm ins Essen mischen.«
    Als Susan versuchte, ihn zurück in ihr Zimmer zu führen, hielt sich Ravyn am Türrahmen fest und weigerte sich, das Zimmer zu betreten. Er starrte sie böse an, als sie versuchte, ihn weiterzuschieben. »Ich muss zurück nach Hause.«
    »Ja«, sagte sie langsam, »das ist genau hier, dieses Zimmer.«
    »Nein!«, knurrte er sie an. »Zatira braucht mich. Ich muss zu ihr.«
    Wer war Zatira? Susan wechselte einen Blick mit Erika, die bei diesem Namen genauso verblüfft war wie sie. »Nein, das musst du nicht.«
    Er stieß sie zur Seite und ging den Flur hinunter. »Ich muss sie retten.« Er stieg drei Stufen die Treppe hinauf, blieb dann wie angewurzelt stehen und starrte auf den Boden. Unglaublicher Schmerz verzerrte seine Stirn, als ob er eine Art Albtraum noch einmal durchlebte. Sie hatte noch nie einen gequälteren Ausdruck gesehen.
    »Nein«, knurrte er und schlug gegen die Wand. »Zatira! Mutter! O Gott, bitte nicht! Kein Blut mehr. Sie sind nicht tot. Nein, das sind sie nicht!«
    Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, warf sich gegen die Wand und glitt zu Boden.
    Susan ging zu ihm und nahm seine Hände in ihre. »Ravyn, schau mich an.«
    Er sah sie an, aber sie begriff, dass er nicht sie sah. Er wurde noch immer von etwas aus seiner Vergangenheit gequält. »Zatira?«
    »Ich bin’s, Susan.«
    Er drehte sich von ihr fort. »Ich muss sie retten. Ich kann sie nicht sterben lassen, ich darf es einfach nicht.«
    Susan versuchte, ihn zurückzuhalten, und sie rangen miteinander.
    Plötzlich fiel ein Schatten über sie. Susan sah auf und erwartete, Erika zu sehen.
    Aber sie war es nicht. Es war entweder Dorian oder Phoenix.
    »Steh auf«, fuhr er Ravyn an. In seinem Gesicht lag nicht eine Spur von Mitleid oder Verständnis.
    »Leck mich.« Ravyn versuchte, an ihm

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