In den Faengen der Nacht
ein Krieger war, seit er in die Pubertät gekommen war und gelernt hatte, seine Kräfte zu beherrschen, hatte er noch nie ein solches Gemetzel gesehen. Die Menschen waren nicht damit zufrieden gewesen, sie einfach zu töten. Sie hatten jedes Mitglied des Clans, dessen sie habhaft werden konnten, verstümmelt, egal, ob Junge, Mädchen, Frau, Kind, Säugling … es war ihnen gleichgültig gewesen.
Phoenix hatte seine Gefährtin in die Arme genommen und vor Schmerz und Entsetzen gebrüllt. Bis er sich plötzlich Ravyn zugewandt hatte.
Du hast das getan!
Ravyn war vor Schuld und Schmerz überwältigt gewesen und hatte sich weder bewegen noch sprechen können. Sein Blick war von der Leiche seiner Mutter gefangen genommen. Von dem Ausdruck des Schreckens, der nun für immer ihr schönes Gesicht verzerrte.
Sag Isabeau die Wahrheit über uns. Über dich. Ravyn, sag ihr, was wir sind. Selbst wenn sie ein Mensch ist – die Schicksalsgöttinnen haben sie dir schließlich als Gefährtin auserwählt … sie wissen, was sie tun. Du musst den Göttern vertrauen, mein Sohn. Immer.
Die Worte seiner Mutter hatten in dieser Nacht in seinen Ohren widergehallt, während er sie durch einen Schleier von Tränen anstarrte.
Und dann hatte sich Phoenix auf ihn gestürzt. Zuerst hatte er sich nichts dabei gedacht, bis er den scharfen, heißen Schmerz in der Seite gespürt hatte. Noch ein Stich und noch einer – Phoenix stach mehrmals auf ihn ein, während Ravyn dastand und jeden Schlag hinnahm, ohne zur Verteidigung auch nur die Arme hochzunehmen.
Stirb, du verdammter Bastard! Ich hoffe, du wirst die Ewigkeit im Tartarus verbringen und dafür bezahlen, was du getan hast!
Dorian hatte Phoenix gepackt und zurückgezerrt, aber es war zu spät gewesen.
Ravyn war zurückgetaumelt und hatte sein eigenes Blut gehustet. Er hatte gesehen, wie das Blut über seine Hände strömte, wie es aus seinem Körper herausfloss, von seiner Kleidung tropfte und sich auf dem Boden mit dem anderen Blut vermischte. Er war ausgerutscht und zu Boden gefallen.
Das Letzte, was er zum Ende seiner Existenz als Mensch gesehen hatte, war sein eigener Vater, der zu ihm kam und auf ihn spuckte, ihn trat und ihn verfluchte, während Ravyn mit schmerzhaftem Rasseln seine letzten Atemzüge tat. Dieser Anblick verfolgte ihn bis heute. Oft trat er ihm im hellen Tageslicht vor Augen, oder wenn er zu schlafen versuchte, und quälte ihn immer von Neuem.
Aber er hatte damit abgeschlossen, von seiner Schuld verfolgt zu werden, für etwas gehasst zu werden, an dem er keinen Anteil gehabt hatte. Sein einziger Fehler hatte darin bestanden, einer Frau zu vertrauen, die ihm gesagt hatte, dass sie ihn liebte. Er hatte nicht wissen können, dass sie ihn verraten würde, indem sie den Zorn ihrer Leute auf ihn herabrief, noch bevor sie offiziell eine Bindung eingehen konnten.
Und jetzt war er müde geworden. Er war den Hass und die Beschuldigungen leid. Es war Zeit, die Vergangenheit zu begraben.
Ravyn sah seinen Bruder spöttisch an. »Du willst mich am liebsten tot sehen, Phoenix? Dann gehen wir doch raus und beenden es ein für alle Mal. Aber ich warne dich jetzt schon, denn ich fühle mich nicht mehr schuldig, und ich werde nicht noch einmal dort stehen und mich von dir niederstechen lassen. Du hast deine Chance gehabt, und das war’s.«
Phoenix stellte sich vor ihn und kniff drohend die Augen zusammen. »Du hättest tot bleiben sollen.«
Ravyn wich weder zurück noch blinzelte er. »Nein, ich hätte mich niemals von dir töten lassen sollen. Ich hätte dich zurückhalten und Isabeau und ihre Leute verfolgen müssen. Oder, besser noch, ich hätte dich umbringen sollen in der Nacht, als ich Rache nahm, weil du so ein selbstsüchtiger Mistkerl gewesen bin. Aber das habe ich nicht getan. Ich habe dir vergeben, dass du mich umgebracht hast, genauso, wie ich Vater vergeben habe, dass er mich getreten hat. Aber ich bin es leid, den rechten Weg zu beschreiten, während ihr anderen mich anspuckt. Also hör auf zu weinen, kleiner Junge, und steh es durch, so wie ich es tun musste.«
Er sah Phoenix angeekelt an. »Du denkst, man habe dir übel mitgespielt? Glaub mir, so ist es nicht. Ich habe in dieser Nacht auch alles verloren, meine Gefährtin und meine ganze Familie. Du und der Rest, ihr hattet wenigstens einander, um euch zu trösten. Und was, zum Teufel, hatte ich? Absolut gar nichts. Und jetzt habe ich es satt, um euch herumzuschleichen, und ich habe es satt, für etwas
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