In den Fesseln der Liebe: Roman (German Edition)
Männern.
Und die betrachteten sie eingehend.
Der Gastwirt blinzelte. »Aye, Ma’am?«, fragte er.
»Freundlicher Herr« – ihre Stimme zitterte ein wenig -, »ich bin gerade in eurer schönen Stadt angekommen und habe diese Menschenmenge hier entdeckt.« Sie stellte ihre schwarze Handtasche auf die Theke und schlug die Hände zusammen, sodass dem Gastwirt nicht der riesige, viereckige Topas entging, den sie über dem Handschuh an ihrem Finger trug. Es war kein sehr teurer Stein, doch er war in Größe und Stil sehr beeindruckend, und die Augen des Gastwirts weiteten sich entsprechend. Sie warf einen aufgeregten Blick nach rechts und links. »Ich bin heute schon sehr weit gereist – ich kann nicht noch weiter. Auch meine Pferde …« Sie ließ die Worte im Raum verhallen, als würde die Situation sie überwältigen.
Dann wandte sie sich wieder an den Gastwirt, sah in sein Gesicht und streckte bittend eine Hand aus. »Oh, mein lieber Herr, bitte sagen Sie, dass Sie noch ein Zimmer für mich haben.«
Ihre Bitte ließ alle anderen verstummen.
Der Gastwirt schürzte die Lippen. »Hm.« Mit gerunzelter Stirn zog er sein Buch zu sich her und machte ein großes Aufheben davon, mit dem Finger die Liste der Zimmer entlangzufahren, die alle schon besetzt sein mussten, wie Flick annahm.
Er klopfte mit dem Stift auf das Buch, dann sah er zu ihr auf. »Nur Sie, nicht wahr, Ma’am?«
Flick holte tief Luft. »Ja.« Sie sprach dieses Wort sehr leise und matt aus. »Ich …« Noch einmal holte sie tief Luft, verschränkte die Finger fest über ihrer Tasche, und der Topas blitzte auf. »Ich bin erst kürzlich verwitwet – nun ja, es ist jetzt sechs Monate her, denke ich -, ich bin auf Reisen … für meine Gesundheit, müssen Sie wissen.«
Sie sprach diese Worte ein wenig atemlos aus und hoffte, dass es gerade das richtige Maß an weiblicher Zerbrechlichkeit war, die sie in ihre Worte gelegt hatte. Der Mund des Gastwirtes formte ein Oh , dann nickte er und schaute noch einmal in sein Buch.
Flick war dankbar für ihren Schleier. Sie sah sich um und stellte fest, dass nicht nur der Blick des Gastwirtes berechnend war.
»Wirklich, Hodges«, begann einer der Männer, die neben ihr standen, »du musst ein Zimmer für die Lady finden – du kannst sie doch unmöglich in die Nacht hinausschicken.«
Ein tiefes, zustimmendes Murmeln ertönte von allen Seiten.
»Zur Ehre von Bury St. Edmunds«, warf ein anderer ein.
Der Gastwirt, der mittlerweile Namen auf der Liste ausradierte und umschrieb, sah sich mit gerunzelter Stirn um. Einigen der arroganteren Gäste gefiel das nicht. »Abgesehen von der Ehre der Stadt, wie steht es mit der Ehre des Hauses?« Einer der Stutzer warf Flick ein überfreundliches Lächeln zu und lehnte sich über die Theke. »Aber, Hodges, alter Kumpel«, begann er gedehnt, »du willst doch sicher nicht, dass überall bekannt wird, dass du ein Gastwirt bist, der hilflose Witwen abweist?«
Flick biss die Zähne zusammen und unterdrückte den Wunsch, dem Schienbein des Stutzers einen schnellen Tritt zu versetzen. Hodges’ Blick war jetzt böse geworden.
Doch glücklicherweise galt dieser böse Blick dem Stutzer. »Es ist nicht nötig, einen solchen Ton anzuschlagen, M’lord. Ich habe ein hübsches Zimmer für die Dame – ich kenne meine Pflichten.«
Mit einem Knall schloss er das Buch, dann griff er nach einem Schlüssel, der zusammen mit den anderen Schlüsseln an einem Brett hinter der Theke hing. Zu Flicks Entsetzen beugten sich alle Gentlemen vor, um auf dem Brett erkennen zu können, welche Nummer ihr Zimmer hatte!
Sie hatte gerade eine ganze Anzahl Verehrer erobert, und einige davon erwarteten sicher eine Belohnung.
Doch als der Gastwirt sich mit dem Schlüssel in der Hand zu ihr umwandte, war sie viel zu erleichtert, um sich Sorgen zu machen.
»Wenn Sie mir bitte folgen würden, Ma’am?« Mit der Hand deutete er zu einem Ende der Theke, wo eine breite Treppe nach oben führte. Dann wandte er sich an die wartende Menge. »Ihr Gentlemen habt sicher nichts dagegen, zu warten, bis sich die Lady eingerichtet hat.«
Das war keine Frage. Hinter ihrem dichten Schleier grinste Flick und schwebte zu der Treppe. Hodges war ein sehr gescheiter Kerl, auch wenn er nur ein Einwohner von Bury St. Edmunds war.
Gillies trat neben sie. »Ich werde Bletchley suchen«, murmelte er leise an ihrem Ohr. Dann verschwand er in der Menge.
»Hier entlang, Ma’am«, forderte der Gastwirt sie auf.
Fünf Minuten
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