In den Fesseln der Liebe: Roman (German Edition)
dem Mund von Lady Osbaldestone. »Entschuldige mich, wenn ich ehrlich mit dir bin, meine Liebe, aber wenn das alles ist, was du gegen ihn hast, dann wäre ich an deiner Stelle nicht so voreilig mit meinem Urteil.«
Flick warf ihrer älteren Gesprächspartnerin einen verwirrten Blick zu. »Das wären Sie nicht?«
»Nein, in der Tat nicht.« Die Lady lehnte sich zurück. »Du sagst, er will nicht viel Zeit mit dir verbringen – bist du auch sicher, dass er es nicht vielleicht gar nicht kann ?«
Flick blinzelte. »Warum sollte er das denn nicht können?«
»Du bist jung, und er ist viel älter – allein das beschränkt die Möglichkeiten, dass sich eure Wege in der Stadt kreuzen können. Und ein noch größeres Hindernis ist sein Ruf.« Die Lady sah sie eindringlich an. »Den kennst du doch, nicht wahr?«
Flick errötete, dann nickte sie.
»Also, wenn du einmal darüber nachdenkst, dann wirst du begreifen, dass es nur sehr wenige Gelegenheiten für ihn gibt, bei denen er Zeit mit dir verbringen kann. Er ist heute Abend nicht hier?«
»Er mag Musikabende nicht.«
»Ja, nun ja, nur wenige Gentlemen mögen sie-sieh dich doch einmal um.« Sie blickten beide durch den Raum. Die Sopranistin kreischte, und die Lady schnaufte hörbar. »Ich bin nicht einmal sicher, dass ich Musikabende mag. Er begleitet dich normalerweise zu den Abendunterhaltungen, nicht wahr?«
Flick nickte.
»Dann wollen wir einmal darüber nachdenken, was er sonst noch tun könnte. Er kann dir nicht seine Aufmerksamkeit schenken, denn die Gesellschaft würde missbilligend die Augenbrauen hochziehen, weil er derjenige ist, der er ist, und du diejenige bist, die du bist. Er kann während des Tages nicht in deiner Nähe sein, weder im Park noch sonst wo – und er kann ganz sicher nicht ständig im Haus seiner Eltern herumlungern. Er kann sich nicht einmal am Abend in den gleichen Kreisen aufhalten wie du.«
Flick runzelte die Stirn. »Warum denn nicht?«
»Weil die Gesellschaft es nicht erlaubt, wenn ein Gentleman in seinem Alter und von seiner Erfahrung zu offen seine Vorlieben zeigt, genauso wenig, wie sie es erlaubt, wenn eine Lady ihr Herz zu offen zeigt.«
»Oh.«
»In der Tat. Und genau wie alle anderen Cynsters auch lebt Harold nach den Gesetzen der Gesellschaft, ohne auch nur darüber nachzudenken – wenigstens dann nicht, wenn es um eine Ehe geht, ganz besonders eine Ehe mit der Lady, die er heiraten will. Die Cynsters beugen selbstverständlich jedes Gesetz, das ihrem Hochmut im Wege steht, aber nicht, wenn es um die Ehe geht. Ich verstehe das zwar selbst nicht so recht, aber ich habe immerhin bereits drei Generationen von ihnen kennen gelernt, und sie sind alle gleich. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
Flick verzog das Gesicht.
»Also, Horatia hat erwähnt, dass du seinen Antrag noch nicht angenommen hast, und das belastet ihn nur noch mehr. Da er ein Cynster ist, würde er am liebsten an deiner Seite sein und dich dazu zwingen, ihn anzuerkennen, aber das kann er nicht. Und das erklärt natürlich, warum er so angespannt herumläuft wie ein Uhrwerk, das man zu stark aufgezogen hat. Ich muss sagen, er hat seine Sache bis jetzt sehr gut gemacht. Er tut, was die Gesellschaft von ihm erwartet, indem er einen vernünftigen Abstand zu dir hält, bis du seinen Antrag angenommen hast.«
»Aber wie kann ich erfahren, ob er mich liebt, wenn er nie da ist?«
»Die Gesellschaft kümmert sich nicht um Liebe, sondern nur um ihre Macht. Also, wo waren wir doch gleich? Ah, ja. Da er nicht möchte, dass er selbst oder du oder seine Familie als Außenseiter dasteht, und da er auf keinen Fall will, dass die Gesellschaft eure Beziehung in einem schiefen Licht sieht, beschränkt ihn das auf die Besuche von einer halben Stunde in Anwesenheit von Horatia – und das auch nur ein- oder zweimal in der Woche -, auf Begegnungen im Park, wiederum auch nicht zu oft, und darauf, dich und Horatia zu den Bällen zu begleiten. Alles andere würde als schlechtes Benehmen angesehen – etwas, das ein Cynster niemals tun würde.«
»Und wie steht es mit Ausritten im Park? Er weiß doch, dass ich gern reite.«
Lady Osbaldestone betrachtete sie kritisch. »Du kommst aus Newmarket, glaube ich?«
Flick nickte.
»Nun, im Park auszureiten heißt, dass du dein Pferd langsam gehen lässt. Du darfst es höchstens eine kleine Strecke im Trab laufen lassen, aber das ist auch schon die Grenze, die für eine Frau auf einem Pferd als angemessen angesehen wird.« Flick
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