In den Fesseln der Liebe: Roman (German Edition)
starrte sie an. »Du bist überrascht, dass er dich nicht zu einem Ausritt in den Park eingeladen hat?«
Flick schüttelte den Kopf.
»Ah, gut, jetzt kennst du also die komplizierten Verhältnisse, mit denen sich Harold in den letzten Wochen herumschlagen musste. Und deshalb wagt er es nicht, auch nur einen falschen Schritt zu machen. Es war wirklich alles höchst unterhaltsam.« Lady Osbaldestone kicherte und tätschelte Flicks Hand. »Also, ob er dich nun liebt oder nicht, da gibt es eine Sache, die dir offensichtlich entgangen ist.«
»Ja?« Flick schaute ihr aufmerksam ins Gesicht.
»Er hat eine Ausfahrt in den Park mit dir gemacht.«
»Ja.« Doch ihr Gesichtsausdruck fragte: »Na und?«
»Die Bar Cynsters machen niemals eine Ausfahrt mit einer Lady im Park. Das ist eine dieser hochmütigen, arroganten und ach so männlichen Entscheidungen der Cynsters, aber sie tun es einfach nicht. Die einzigen Ladys, die sie jemals mit ihren hochklassigen Pferden durch den Park kutschieren, sind ihre Ehefrauen.«
Flick runzelte die Stirn. »Das hat er mir aber nie gesagt.«
»Das kann ich mir sehr gut vorstellen, aber immerhin war das eine sehr deutliche Aussage. Indem er dich im Park herumgefahren hat, hat er gleichzeitig den Gastgeberinnen der gehobenen Gesellschaft erklärt, dass er die Absicht hat, um deine Hand anzuhalten.«
Flick dachte darüber nach, dann verzog sie das Gesicht. »Das ist wohl kaum eine Liebeserklärung.«
»Nein, da stimme ich dir zu. Es gibt allerdings noch die kleine Sache seiner augenblicklichen Verfassung. Er ist so angespannt wie eine Geigensaite kurz vor dem Zerreißen. Seine Laune war noch nie sehr ausgeglichen – er ist nicht so wie Sylvester oder Alasdair. Sein Bruder Spencer ist zurückhaltend, doch Harold ist ungeduldig und eigensinnig. Es ist sehr aufschlussreich, wenn ein solcher Mann sich bereitwillig der Frustration unterwirft.«
Flick war davon zwar nicht überzeugt, aber … »Warum hat er denn diese öffentliche Erklärung abgegeben?« Sie sah Lady Osbaldestone fragend an. »Angenommen, er hatte gar keinen Grund dazu?«
»Sehr wahrscheinlich, um erfahrenere Gentlemen – diejenigen, die ihm gleichgestellt sind, wenn man das so sagen kann – auf Abstand zu halten, selbst wenn er nicht an deiner Seite ist.«
»Sie zu warnen, sich von mir fern zu halten?«
Lady Osbaldestone nickte. »Und dann, natürlich, hat er dich auf jedem Ball von der anderen Seite des Ballsaales aus ständig beobachtet, um sicherzugehen.«
Flick fühlte, wie sich ihr Mund verzog.
Lady Osbaldestone hatte es gesehen und nickte. »Genau. Du hast also überhaupt keinen Grund, dir Sorgen zu machen, nur weil er nicht an deiner Seite ist. Wenn man sein Temperament bedenkt, hat er seine Sache sehr gut gemacht. Ich weiß wirklich nicht, was du sonst noch von ihm verlangen könntest. Und was die Liebe angeht, er hat eine sehr besitzergreifende Art dir gegenüber an den Tag gelegt und auch seinen Beschützerinstinkt gezeigt, und beides sind verschiedene Facetten dieses Gefühls, Facetten, die ein Gentleman wie er nicht gern öffentlich zeigt. Aber damit diese Facetten auch glänzen können, muss es ein Juwel in seinem Herzen geben. Leidenschaft allein hätte niemals die gleiche Wirkung.«
»Hm.« Flick begann sich zu wundern.
Die Sängerin hatte das Finale erreicht – ein einziger, anhaltend schriller Ton. Als sie endete, applaudierten alle, auch Flick und Lady Osbaldestone. Das Publikum stand sofort auf und begann lebhaft zu plaudern. Andere kamen auf das Sofa zu.
Lady Osbaldestone nickte, als Flick sich vor ihr verneigte. »Denke über das nach, was ich dir gesagt habe, Mädchen. Du wirst schon noch feststellen, dass ich Recht habe, das kannst du mir glauben.«
Flick sah in ihre alten Augen, dann nickte sie und wandte sich ab.
Lady Osbaldestones Bemerkungen ließen die Dinge in einem ganz neuen Licht erscheinen, aber … während Horatias Kutsche über das Pflaster holperte, verzog Flick das Gesicht und war dankbar für die Dunkelheit, die sie einhüllte. Sie wusste noch immer nicht, ob Demon sie liebte, sie lieben konnte, sie jemals lieben würde. Mit einer dieser Alternativen wäre sie schon zufrieden, doch nicht mit weniger.
Sie dachte zurück an die vergangenen Wochen und musste zugeben, dass die Bemerkungen von Lady Osbaldestone über seine besitzergreifende Art und seinen Beschützerinstinkt stimmten, doch sie war nicht sicher, ob der Grund dafür nicht nur sein Verlangen nach ihr war.
Weitere Kostenlose Bücher