In den Fesseln des Wikingers
Hexe“, triumphierte er und umfasste ihre Oberarme, um sie hochzuziehen.
Willenlos ließ sie es geschehen, stand schließlich vor ihm und starrte ihn an, unsicher, ob er lebendig oder ein Wesen aus der Anderwelt war.
„Der … Bär ...“, stammelte sie.
Er grinste stolz, denn er begriff, dass sie ihn für tot gehalten hatte. „Er hat einsehen müssen, dass ich nicht zurückweichen wollte.“
Sie besah ihn von oben bis unten – er schien unverwundet, und in seinem Gürtel steckte der Dolch. „Du hast den Bären getötet?“
Er machte eine verneinende Geste. „Ein Bär ist ein Bruder“, sagte er. „Er hat verstanden, dass ich um mein Leben kämpfen wollte und ging davon. “
Er packte sie bei den Schultern und wollte sie vor sich her schieben, um den Weg fortzusetzen. Doch Rodena hatte blitzschnell den Dolch aus seinem Gürtel gerissen und setzte ihm die Waffe an die Brust. Auch sie verstand es, um ihr Leben zu kämpfen.
„Verschwinde, Wikinger“, zischte sie ihn an. „Verlasse diesen Wald und geh dorthin zurück, woher du gekommen bist.“
Er war vollkommen überrascht, denn er hätte ihr diese Geistesgegenwart nicht zugetraut. Jedoch war er weit davon entfernt, die Waffe in ihrer Hand zu fürchten.
„Stich zu“, forderte er sie auf. „Ein Wikinger stirbt lieber, als dass er sich von einem Weib befehlen lässt.“
Damit hatte sie nicht gerechnet. Dieser verfluchte Kerl schien ganz genau zu wissen, dass sie niemals imstande gewesen wäre, einen Menschen zu erstechen. Unbeweglich stand er vor ihr, bot ihr seine breite Brust, die Arme hingen seitlich herab, in seinen Zügen lag Neugier und ein Anflug von Spott. Sie ärgerte sich und drückte die spitze Dolchklinge fester an seine Brust, spürte, wie sie mit einem kleinen Ruck den Stoff durchschnitt und in seine Haut eindrang. Ein winziger, roter Fleck erschien auf dem hellgrünen Rock.
„Ich meine es ernst“, sagte sie, bemüht, das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen. „Geh, oder ich töte dich mit deinem eigenen Dolch!“
Sie sah seine grauen Augen hell aufblitzen, dann trafen seine harten Fäuste sie an beiden Schultern, und sie taumelte rückwärts. Der Stoß war so fest, dass sie auf den Waldboden stürzte und dort einen Augenblick liegen blieb.
Langsam trat er auf sie zu und beugte sich über sie. Er hatte sich bemüht, ihr nicht allzu sehr weh zu tun, doch anscheinend hatte sie sich bei dem Sturz verletzt, denn sie lag reglos da.
„Schluss jetzt“, mahnte er, schon milder gestimmt. „Wir haben keine Zeit mehr. Du bist selbst schuld, wenn ich dir jetzt wieder die Hände binde.“
Er wollte nach ihrer rechten Hand greifen, um ihr den Dolch zu entreißen, doch sie warf sich auf die Seite und richtete die Klinge auf sich selbst. Wütend rang er mit ihr, packte sie so hart an, dass sie vor Schmerz aufschrie, doch als er versuchte, ihr den Dolch zu entwinden, biss sie ihm so fest in die Hand, dass er laut fluchte.
„Ich will lieber sterben, als von dir geschändet zu werden.“
Er schlug ihr den Dolch aus der Hand und verpasste ihr zwei gut gezielte Ohrfeigen, dann fasste er ihr Kleid über der Brust und zog sie daran auf die Füße.
„Was redest du da für Unsinn?“, brüllte er und schüttelte sie. „Niemand wird dir etwas zuleide tun, Hexe.“
„Lügner! Wozu entführst du mich dann?“
Sie war schön in ihrer Verzweiflung, wie sie mit wildem Haar und halb zerrissenem Kleid vor ihm stand, und er verspürte große Lust, diese verrückte Person zu zähmen.
„Du sollst mir weissagen, Hexe“, knurrte er.
Sie starrte ihn an und glaubte es kaum. „Ich soll …?“
Er ließ ihr Gewand los und trat einen Schritt zurück. Der Halsausschnitt war ein Stück eingerissen, so dass ihre linke Schulter und ein Teil der runden Brust zu sehen war, doch sie bemerkte es gar nicht, so verblüfft war sie.
„Alles ist so gekommen, wie du es vorausgesagt hast“, erklärte er freimütig. „Sigurd, der Däne, kehrte zum Kloster zurück, und es kam zum Kampf. Sigurd musste aufs Meer hinaus fliehen, und der Sieg war unser. Ich will, dass du mir weiter die Zukunft liest.“
„Du bist ja verrückt!“, stieß sie hervor. „Das werde ich niemals tun. Hast du gehört? Nicht im Traum würde es mir einfallen, einem Wikinger Weissagungen zu machen.“
Er ließ sie eine Weile schimpfen, dann näherte er sich ihr mit frechem Grinsen und zog ihr behutsam den Stoff über die nackte Schulter.
„Es ist besser, wenn du dich bedeckst, Hexe“,
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