In den Fesseln des Wikingers
einer seltsamen Mischung aus Hass und Verlangen auf sie richteten, und sie erbebte. Konnte sie ihm vertrauen? Aber was blieb ihr anderes übrig? Vermutlich gab es keinen einzigen unter diesen wilden Burschen, der vertrauenswürdig war.
„Ihr braucht nicht zu kämpfen“, sagte sie laut. „Ich habe meine Wahl getroffen. Ich will, dass Thore mein Beschützer ist.“
Die Männer waren enttäuscht, denn trotz des harten Kampfes, den sie heute gegen Sigurds Krieger geführt hatten, wären sie einem kleinen Kräftemessen untereinander nicht abgeneigt gewesen. Vor allem, weil es um einen verlockenden Preis ging. So zuckten sie verärgert die Schultern, winkten ab und murrten, dass die Entscheidung ja wohl von vornherein klar gewesen sei.
„Du willst mir also untertan sein und mir gehorchen?“, fragte Thore nach, während die anderen davongingen und sich wieder der Mahlzeit zuwandten.
„Wer redet davon, dass ich das will? Ich habe keine andere Wahl!“, gab sie böse zurück.
Er biss die Zähne aufeinander, während er sie anstarrte, und sie sah seine Kiefermuskeln arbeiten. Dann fasste er sie am Arm und zog sie zum Steilhang hinüber, um mit ihr allein sprechen zu können.
„Hör zu, Hexe“, sagte er leise. „Wir schließen einen Pakt miteinander. Ich werde dir Schutz bieten – dafür wirst du mir weissagen, wann immer ich es von dir verlange.“
„Das kann ich nicht.“
„Wieso kannst du das nicht? Du konntest mir auch den Ausgang des heutigen Kampfes vorhersagen.“
Sie lehnte sich erschöpft mit dem Rücken gegen den Fels und überlegte, wie sie ihm die Sache erklären sollte.
„Ich kann nicht in die Zukunft sehen, wann immer ich dazu Lust habe. Es geht nur dann, wenn die Göttin dazu bereit ist und über mich kommt.“
„Du lügst!“, zischte er sie an. „Du willst dich nur aus der Sache herausstehlen.“
„Ich schwöre bei meiner Göttin, dass es die Wahrheit ist.“
Er sah ihr forschend in die Augen, kam jedoch zu keinem Ergebnis. Sie sah tatsächlich aus, als habe sie die Wahrheit gesprochen, doch einem Weib war niemals zu trauen. Auch mit den aufrichtigsten Gesichtern konnten sie lügen.
Er blieb dicht vor ihr stehen, verdeckte ihren Körper vor den Blicken seiner Männer, die, während sie aßen, immer wieder neugierig zu den beiden hinüberschauten. Nicht, dass es etwas Besonderes gewesen wäre, wenn ein Mann seine Lust befriedigte, aber das Mädchen war schön, und es hätte so manchem Spaß gemacht zu sehen, wie Thore sie nahm.
„Es sind Bilder, die manchmal über mich kommen“, versuchte sie zu erklären. „Ich sehe plötzlich Dinge, die gar nicht da sind. Menschen oder Orte. Oder auch Geschehnisse. Ich sehe es so lebhaft, als stünde ich daneben, als könnte ich die Wellen des Meeres oder die Steine der Häuser mit den Händen berühren. Und doch sind es nur Träume.“
„Träume?“, murmelte er ungläubig.
„Träume am hellen Tag. Und sie werden wahr, denn sie kommen von der Göttin.“
Er zog die Oberlippe hoch und musterte sie immer noch voller Zweifel. „Und du weißt niemals vorher, wann die Bilder kommen?“
„Nein.“
„Kommen sie oft?“
„In letzter Zeit sehr oft“, gestand sie.
Er trat noch dichter zu ihr heran, stützte sich mit beiden Armen rechts und links am Fels ab, und sie atmete wieder den erschreckend männlichen Geruch seines großen Körpers ein.
„Schwöre, dass du mir sagen wirst, wenn du die Zukunft siehst!“, verlangte er.
Sie versprach es. Es war unverfänglich, denn die Bilder waren so zahlreich und vielfältig, dass sie sich aussuchen konnte, was davon sie ihm preisgeben wollte.
Er schien zufrieden, und seine schroffe Miene wurde milder. Die Sonne war gesunken und hatte die Wolken über dem Meer in ein dunkles Rot getaucht, das wie ein langer, schwankender Teppich auf den Wellen zu schwimmen schien. Langsam näherte er ihr sein Gesicht, sie sah seine grauen Augen glitzern, sein Mund war halb geöffnet und ließ seine weißen Zähne sehen. Sie spürte, wie ihr Herz hämmerte, und obgleich sie wusste, was geschehen würde, machte sie keine Bewegung der Gegenwehr. Die erste, zarte Berührung ihrer Lippen ließ sie heftig erbeben, dann umfasste er sie mit festen, muskulösen Armen, und sein Kuss war heiß und leidenschaftlich. Überwältigt gab sie sich diesem Ansturm hin, spürte, wie seine Hände über ihren Rücken rieben, ihre Brüste umfassten, und erst als sie seine pralle Männlichkeit an ihrem Bauch fühlte, begann sie, sich
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