In den Fesseln des Wikingers
kleines Lachen hören, das eher wie ein Schluchzen klang. „Wer einen Wikinger liebt, muss wissen, dass der Tod immer neben ihm steht.“
„Wie recht du hast“, sagte Rodena leise. „Und dennoch musst du daran glauben, dass Ubbe noch am Leben ist. Solange du es nicht sicher weißt, darf deine Hoffnung nicht sterben.“
Papia ließ sich müde auf einer Decke nieder und trank gierig von dem Wasser, das Rodena ihr im Krug reichte. Seit sie das Inland verlassen hatten und an der Küste entlangflüchteten, hatte es zwar reichlich Fisch, aber wenig frisches Wasser gegeben.
„Halvdan hat mir erzählt, er habe Ubbe tot auf den Planken des Drachenbootes liegen sehen“, sagte sie dumpf.
„Und die anderen? Haben sie das auch berichtet?“
„Sie wissen es nicht. Alle sind in den Fluss gesprungen, als Wilhelm Langschwerts Männer die Drachenboote mit brennenden Pfeilen beschossen und Feuer ausbrach.“
„Und du? Wie hast du dich retten können?“
Papias Gesicht war schmal geworden, und ihre Augen erschienen noch größer als zuvor. Sie weinte nicht, als sie nun erzählte, wie Ubbe sie noch vor Beginn des Kampfes ins Wasser stieß und ihr befahl, ans Land zu schwimmen.
„Er sagte, ich solle mich im Wald verstecken, er würde kommen und mich holen, wenn alles vorbei sei. Aber er kam nicht.“
„Stattdessen hat Halvdan dich dann gefunden, nicht wahr?“
Sie nickte langsam und reichte Rodena den leeren Becher.
„Ich wollte nicht mit ihm gehen, aber er sagte, dass ich allein niemals in meine Heimat zurückgelangen könne. Er sagte auch, dass er Ubbe versprochen habe, mich sicher nach Hause zu geleiten.“
„Und das hast du ihm geglaubt?“
„Nein“, gestand sie. „Aber Ubbe kam nicht zurück, und ich hatte Angst, denn es waren lauter Feinde um uns herum. Und dann hat Halvdan mich einfach mit sich fortgezogen.“
Rodena schüttelte den Kopf. Wer konnte wissen, ob Halvdan nicht seine eigenen Ziele verfolgte, wenn er Papia solche Dinge erzählte. Vielleicht hatte er Ubbe schon längst um das Mädchen beneidet?
„Wollte er mit dir das Lager teilen?“
„Er wollte schon, aber ich habe mich gewehrt, und da hat er mich in Ruhe gelassen. Er hat eine Verletzung am Bein, und ich musste ihn beim Gehen stützen.“
Aha – der Bursche war nicht im Vollbesitz seiner Kräfte – vielleicht war er deshalb so zurückhaltend gewesen. Wer konnte das genau wissen?
„Ich würde nichts auf Halvdans Gerede geben, Papia!“, sagte Rodena energisch.
Das Mädchen taute jetzt auf, denn Rodena hatte eine schwache Hoffnung in ihr geweckt, ihren Geliebten doch eines Tages wiederzusehen. Sie nahm von den Speisen, die Rodena ihr anbot und – als sei in ihr ein Damm gebrochen – begann ohne Unterbrechung zu reden. Rodena erfuhr, dass einige von Thores Getreuen ihren Anführer gegen Sigurds Männer hartnäckig verteidigt hatten, darunter auch Ubbe. Erst als man ihm das Schwert aus der Hand schlug, konnte er überwältigt werden, später musste man ihn binden, denn er weigerte sich, mit Sigurd gegen den normannischen Herzog zu kämpfen.
„Schließlich tat er es doch, denn alle beschuldigten ihn, ein Feigling zu sein“, gestand Papia. „Aber er sagte mir, dass es nur der Beute wegen sei. Er wollte nicht ohne Beute nach Norwegen zurückkehren, denn er hatte vor, ein neues Haus für mich zu bauen und mir Kleider und Geschmeide zu kaufen …“
„Das habe ich schon mal irgendwo gehört“, murmelte Rodena. „Es ist unfassbar, wie diese Burschen uns immer wieder einreden, wir seien der Grund für ihre Raubzüge.“
Papia sah sie mit großen, erstaunten Augen an. „Aber er hat es ernst gemeint, Rodena. Er sagte mir, dass er nur noch dieses eine Mal Beute machen wolle und dann niemals wieder ...“
Rodena schwieg, denn sie schauderte bei dem Gedanken, wie rasch das Schicksal das Glück zweier Menschen beenden konnte. Als sie später mit Wundsalben und Moos zurück an den Strand lief, nahm sie Thore beiseite, um allein mit ihm zu sprechen.
„Hör mir zu“, sagte sie. „Baue dein Schiff und lass uns gemeinsam nach Norwegen fahren. Ich will deine Frau werden und dir in deine Heimat folgen.“
Er starrte sie ungläubig an, dann riss er sie in seine Arme und überschüttete sie mit ungestümen Küssen. „Wenn das dein Ernst ist, Rodena, dann ist es das größte Geschenk, das du mir machen konntest, denn es beweist mir deine Liebe!“, rief er.
„Es ist mein Ernst, Thore. Es soll alles so geschehen, wie du es wolltest,
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