In den Fesseln des Wikingers
geschwommen sein und dort irgendwo umherirren.“
„Er ist längst in Walhall, wo etliche unsere Kameraden jetzt mit Odins Kriegern auf die Jagd ziehen“, ergriff Halvdan wieder das Wort.
Thore jedoch schüttelte unwillig den Kopf und behauptete, es gäbe gute Chancen, dass es Ubbe gemeinsam mit anderen Kameraden bis zur Seine-Insel geschafft hatte, um dort im Winterlager der Wikinger Unterschlupf zu finden.
„Ubbe ist nicht nur mutig – er ist auch ein schlauer Bursche. Und ganz sicher hatte er wenig Lust, ausgerechnet von diesen dreckigen Normannen nach Walhall geschickt zu werden.“
Sein lächelnder Blick traf Rodena, und sie begriff, dass er sich über ihre Anwesenheit hier am Meer freute, offensichtlich sogar glaubte, sie habe vor, ihm bei seinen Plänen beizustehen. Sie musste schlucken, denn das hatte sie ganz und gar nicht beabsichtigt, im Gegenteil, sie hatte nach einer Möglichkeit gesucht, ihm sein Vorhaben auszureden.
„Bei Odin – wir haben dich alle für tot gehalten“, sagte Olav zu Thore. „Die verfluchten Burschen haben dir Kleider und Waffen genommen und dich der Flut ausgeliefert. Wir waren machtlos, denn sie hatten uns überwältigt und gebunden, wir hätten übermenschliche Kräfte haben müssen, um dir dennoch beizustehen. Ich schwöre dir, dass es so war.“
Thore nickte und schien das Verhalten seiner Männer als vollkommen verständlich zu empfinden. Rodena begriff plötzlich, dass das Verständnis von Ehre und Treue unter diesen Kämpfern ein anderes war, als sie bisher geglaubt hatte. Einem toten Anführer die Treue zu halten war sinnlos, auch schien es nicht weiter ehrenrührig, sich einem anderen anzuschließen, wenn ein Anführer sich als schwach und erfolglos gezeigt hatte. Wer diese Männer führen wollte, musste sie für sich gewinnen und ihnen reiche Beute versprechen – dann waren sie bereit, ihr Leben im Kampf zu riskieren. Scheiterte der Feldzug, dann würden die Überlebenden sich seelenruhig einen neuen Anführer suchen.
„Wie hast du es geschafft, Odins wilden Töchtern zu entgehen?“, fragte Olav neugierig.
„Nun … meine Druidin war rascher. Sie hat mich den Walküren weggeschnappt!“, sagte Thore grinsend. „Wie es scheint, mag man mich in Walhall noch nicht haben, denn ich habe hier in Midgard noch einiges zu tun. Und ihr, meine Freunde, werdet dabei an meiner Seite kämpfen!“
***
Es war erstaunlich, wie rasch seine Zuversicht sich auf die Kameraden übertrug. Man lagerte im Windschutz eines breiten Granitfelsens, und Rodena stellte fest, dass Thore bereits klug vorgesorgt hatte: Er hatte Häute beschafft, aus denen Zelte gebaut werden konnten, einige Decken lagen bereit, und vor allem gab es Fleisch und Met, damit die erschöpften Kameraden sich stärken konnten. Woher hatte er diese Dinge? Vermutlich von den Bauern, deren Vertrauen er gewonnen hatte.
Rodena hatte nicht vor, sich lange bei den Wikingern aufzuhalten, doch sie sah nach deren Wunden und versprach, sich um heilende Kräuter und Moos zu kümmern. Dann nahm sie Papia, die teilnahmslos dabeistand, zur Seite und fragte sie, ob sie mit ihr kommen wolle.
„Wohin?“
„An einen Ort, wo du dich ausruhen kannst.“
„Du musst Halvdan fragen. Er ist jetzt mein Beschützer.“
„Das fehlte noch“, ereiferte sich Rodena. „Du kommst jetzt mit mir!“
Halvdan hob zwar den Kopf und machte einen schwachen Versuch, Papia zurückzuhalten, doch mit einem Blick auf Thore, der die Entführung zu billigen schien, fügte er sich schweigend. Und überdies hatte man gerade den Krug mit Met geöffnet, da wollte er wegen seiner widerspenstigen, kleinen Sklavin keinen Streit entfachen.
Papia hatte keine Mühe, Rodena über das Grasland und durch den Wald zur Höhle zu folgen, denn sie war vollkommen unverletzt geblieben. Doch das, was sie während der vergangenen Tage erlebt hatte, war tief in ihre Seele eingedrungen und hatte sie verändert. Sie war still geworden, und ihr schmales Gesicht hatte einen leidenden Ausdruck angenommen.
„Du lebst hier mit Thore, nicht wahr?“
Sie hatte sich in der Höhle umgesehen und unschwer entdeckt, dass sie für zwei Personen ausgestattet war. Ihre Frage klang freundlich, doch der bittere Unterton war kaum zu überhören. Rodena war glücklich mit Thore vereint, während sie, Papia, einsam zurückgeblieben war und sich grämte.
„Thore war fast tot, als ich ihn am Strand fand, und es war tagelang nicht sicher, ob er überleben würde.“
Papia ließ ein
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