In den Fesseln des Wikingers
schäumend auf die Küste zu …
„Rodena! So antworte doch! Rodena!“
Thores Stimme klang angstvoll, sie spürte, dass er sie umschlungen hielt und sie hin und herwiegte.
„Ich glaube, sie sieht wieder Bilder“, sagte Papia schüchtern. „Sie hat das schon mal getan, damals auf dem Schiff.“
„Sie sieht Bilder? Ich glaubte schon, sie müsse sterben!“
Er bettete sie auf ihr Lager, hüllte sie sorgfältig in eine Decke und legte sich neben sie. Rodena atmete tief ein und aus, um die Erschöpfung zu überwinden, die sie jedes Mal nach dem Besuch der Göttin überfiel.
„Willst du wissen, was ich gesehen habe?“, fragte sie dann leise.
„Nein“, gab er kurz zurück. „Ich mag die Weissagungen deiner Göttin nicht mehr hören, denn ich habe inzwischen erkannt, dass sie zu nichts zu gebrauchen sind. Ich werde mein Schicksal in die eigene Hand nehmen, und was deine Göttin dazu meint, kümmert mich nicht.“
„Ich sah einen Wolf und einen Bären, die miteinander kämpften“, murmelte Rodena müde. „Einen Wald, der umstürzte, einen Fluss, der brannte, eine Wasserwoge, die alles Land zu verschlingen drohte.“
Thore lachte und fand, dass ihre Göttin wohl die Wahrheit gesagt hatte. Es würde einen Kampf geben, doch sie hatte vergessen zu erwähnen, dass er, Thore, der Sieger sein würde.
Als er bemerkte, dass sie nicht einschlief, erzählte er ihr stolz, wie groß sein Heer bald sein würde, und dass er das Land, das er zu erobern gedachte, bereits unter die treusten seiner Anhänger verteilt habe. Wobei für ihn selbst das größte Stück geblieben war, auch würde er das gesamte Reich regieren, den Wegzoll einnehmen und Gericht halten.
„Die Bauern werden keine Not leiden“, sagte er. „Ich werde sie verteidigen und ihnen geringeren Zins abnehmen, als Wilhelm Langschwert es tut. Ich werde eine Burg erbauen und Krieger ausbilden, die uns schützen werden, Rodena. Dort werden wir miteinander leben und glücklich sein. Doch wenn du magst, kannst du immer wieder zu diesem Ort zurückkehren, um deiner Göttin zu dienen. Dieses Versprechen gebe ich meiner Frau, und ich werde es zu halten wissen.“
Sie schmiegte sich an ihn und schlang die Arme um seinen Nacken, um dicht an seiner Brust einzuschlafen und dabei seinen warmen Atem auf ihrer Wange zu spüren.
Wie großmütig er war. Wie schön er sich das alles vorstellte. Das Problem war nur, dass Wilhelm Langschwert dabei nicht mitspielen würde.
***
Früh am Morgen riss ein lauter Ruf sie aus dem Schlummer.
„Sie kommen! Der verfluchte Normanne will uns angreifen!“
Thore glitt blitzschnell vom Lager, mit einem einzigen Sprung war er auf den Füßen, hatte Gürtel und Schwert an sich gerissen und war aus der Höhle geeilt.
„Wo habt ihr sie entdeckt?“, fragte er den jungen Burschen, der die Botschaft überbrachte.
„Noch ein gutes Stück entfernt von uns.“
„Wie klug es war, Späher aufzustellen. Ich dachte mir, dass Wilhelm nicht zaudern würde. Geh voraus und sage allen, dass sie sich bewaffnen sollen. Wir werden heute noch siegen.“
Rodena kroch schlaftrunken aus der dämmrigen Höhle und blinzelte ins trübe Morgenlicht.
„Sie kommen? Jetzt schon?“, murmelte sie erschrocken.
„Es ist der rechte Augenblick“, sagte er ruhig. „Die Boten aus dem Winterlager kamen gestern zurück – unsere Freunde sind auf dem Weg, um uns zu unterstützen. Sie werden zur Stelle sein, wenn wir sie brauchen.“
„Wie kannst du da so sicher sein?
Er zog seinen Gürtel fester, steckte die Axt hinein und hatte keinerlei Absicht, sich mit seiner Druidin auf ein Gespräch einzulassen. Der Kampf stand bevor, er fieberte ihm entgegen, doch er war erfahren genug, um seine Entscheidungen mit kühlem Kopf und kluger Überlegung zu fällen.
„Du wirst mit Papia hier in der Höhle bleiben“, befahl er. „Ich will, dass du im sicheren Schutz deiner Göttin bist.“
„Nein“, rief sie. „Ich gehe mit dir und will an deiner Seite sein. War ich nicht auch auf dem Drachenboot unter euch Kriegern?“
„Tu was ich dir sage!“, sagte er energisch. „Verlasse diesen Ort nicht, und warte hier, bis ich zurückkehre!“
Damit lief er davon, in der sicheren Gewissheit, dass sie seine Anweisung befolgte, so wie er es auch von seinen Kämpfern erwartete. Rodena starrte ihm nach und spürte, wie ein tiefer Schmerz sie durchdrang. Er stürzte sich so zuversichtlich in diesen Kampf, und sie zitterte innerlich vor Angst, dass sie ihn niemals
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