In den Häusern der Barbaren
ich an.«
»Wird gut bezahlt, ¿qué no? «
»Ganz okay. Außerdem male ich gern, also auch auf anderen Sachen, nicht bloß auf Wänden. ¿Entiendes? Neulich habe ich das Haus einer Familie angemalt und gehört, wie la señora meinen Chef gefragt hat, ob er jemanden kennt, der ihr ein Bild auf einen Tisch malen kann. Ich bin gleich hin und habe ihr gesagt, ich könnte es machen, ich zeichne gern. Sie wollte einen Drachen, der Tisch sollte in das Zimmer ihres Sohnes, also habe ich ihr einen gemalt. Einen großen roten Drachen. Hat ihr gefallen und dem Jungen auch. Das hat Spaß gemacht.«
»Du bist also Künstler!«
»Nein, so würde ich mich nicht nennen. Aber ich male gern. Der Drache ist ganz gut geworden.«
»Ich habe Kunst studiert«, sagte Araceli und bemühte sich, nicht atemlos zu klingen: Da war ihr ein gut tanzender Künstler in den Schoß gefallen, und sie wollte ihm am liebsten gleich alles erzählen, alles auf einmal. »Ich war am Instituto Nacional de Bellas Artes in Mexiko City, aber bloß ein Jahr lang. Dann musste ich aufhören.« Araceli fand, sie müsste erklären, wieso, aber dann bremste sie sich: Es war nicht nötig, dass mexicanos von ihrem Status einander umständlich erläuterten, wie ihre Träume gestorben waren, nicht wenn sie in diesem Land namens Kalifornien lebten.
»Ich habe dir gleich angesehen, dass du intelligent bist. Du siehst aus wie die Mädchen aus dieser Serie Rebelde . Wie eine Studentin. Habe ich gleich gewusst. Darum habe ich dich zum Tanzen aufgefordert.«
Am Ende des Abends, nachdem die beiden zwei Stunden lang getanzt hatten, sagte Felipe, er müsse am nächsten Tag früh aufstehen und jetzt gehen. Morgen ist Sonntag, wieso musst du da früh aufstehen? , wollte Araceli fragen, widerstand aber der Versuchung. Er fragte sie nach ihrer Telefonnummer, die sie auf einen Zettel schrieb und ihm in die Hemdtasche steckte.
»Ich arbeite in einem Haushalt«, sagte sie ihm. Trabajo en una casa. Das hieß: Ja, du kannst mich anrufen, aber es wird ein Gringo abheben, und sei bitte höflich, ruf mich nicht mitten in der Nacht an, meine jefes mögen das nicht. Er schien zu verstehen und lächelte, als er sich abwandte, und Araceli konnte einen letzten, ausgiebigen Blick auf das Hinterteil in seiner Hose werfen: Von vorn betrachtet, wirkte er massig, aber von hinten sah er viel besser proportioniert aus, seine breiten Schultern fielen auf, ließen auf starke Muskeln schließen. Er war ein sensibler mexicano , wie Araceli gefangen in einem zu kräftigen Körper.
Am Sonntagnachmittag, etwa sechsunddreißig Stunden nach Abreise ihrer Haushaltshilfe, fand sich Maureen auf dem Fußboden ihres Wandschranks wieder, wo sie dem gleichmäßigen Rauschen des Babyfons lauschte sowie den fernen Klängen von zerplatzenden Köpfen und einstürzenden Mauern. Nur weil sie den Jungen erlaubt hatte, sich diesen Kriegsfilm anzuschauen, konnte sie ein wenig Zeit für sich verbringen und die Kiste mit ihren Familienfotos sortieren. Sie würde endlich die Bilder von Samanthas erstem Geburtstag in das Album einkleben, das sie vor Monaten gekauft hatte. Das tat Maureen vor allem, um sich zu beruhigen und um sich zu bestätigen, dass sie weiterhin gut für ihre Familie sorgte. Sie nahm ein Foto von Scott, der Samantha auf dem Arm hielt, und legte es neben ein anderes, das die Kleine vor dem Geburtstagskuchen zeigte, flankiert von Keenan und Brandon, die ihr halfen, den Docht auf der großen Eins auszublasen. Deutlich war auf den Gesichtern ihrer Kinder das internationale Erbmaterial der Familie zu erkennen: Irland steckte in den grünen Flecken von Keenans Augen, Maine im kräftigen Kinn ihrer Tochter, Mexiko in Brandons lang gestreckter Nase. In ihren Kindern vermengten sich die Früchte vieler Zweige des Menschenbaumes. In ihren Gesichtern sah Maureen die Hände eines exzentrischen Schöpfers am Werk, eines Künstlers, der sein Publikum mit dem Unerwarteten überraschte.
Am anderen Ende ihres Heims im Paseo Linda Bonita umklammerte Scott mit beiden Händen eine Konsole und spielte eine Footballsimulation von modernster grafischer Komplexität. Er hatte diese neueste Version erst vor zwei Tagen gekauft und gemeint, er könne die Investition als berufliche, steuerlich absetzbare Ausgabe rechtfertigen, weil er schließlich selbst mal ein oder zwei Spiele entworfen hatte und es vielleicht wieder tun würde. Doch die ungeschminkte Wahrheit lautete, dass ein Bestsellerspiel wie dieses weit jenseits der
Weitere Kostenlose Bücher