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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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verbergen.
    Carl richtete sich auf. »Ich dachte, ich hätte eine Tür gehört«, gab er ihr zu verstehen. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Kelly rang sich ein Lächeln ab. »Ist ja gut. Ich habe nur geträumt.« Sie drehte sich auf die andere Seite, als wollte sie schlafen, und hörte den Großvater gleich darauf das Zimmer verlassen.
    Aber die Augen - die Augen des Mannes aus ihren Träumen! - blieben ihr im Gedächtnis haften.
    Unterwegs zu seinem Zimmer erleichterte Carl sich im Bad und wollte das Licht schon wieder ausschalten, als sein Blick in den Spiegel fiel.
    Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Seine Haut hatte starke Falten gebildet.
    An seinen Fingern begannen die verräterischen Leberflecke deutlich hervorzutreten.
    Er überlegte: Wann hatte er die letzte Spritze erhalten?
    Vor wenigen Tagen erst!
    Wieso konnte dann...?
    Er eilte auf sein Zimmer, verschloss die Tür, nahm den Hörer ab und rief Warren Phillips privat an. Nach dem siebten Läuten meldete sich der Anruf-Beantworter mit der Bitte, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Carl fluchte leise. »Hier Carl Anderson. Ich brauche sofort eine weitere Spritze. Rufen Sie mich bitte nach Ihrer Rückkehr sofort an.« Er korrigierte sich. »Nein, nicht anrufen! Es würde die andern im Haus wecken, und mich darf keiner sehen, bis ich die Spritze bekommen habe. Ich werde vor Tagesbeginn zu Ihnen kommen.«
    Er legte auf und ging schlafen.
    Er sah auf die Uhr.
    Halb zwei.
    Noch viereinhalb Stunden bis zum Besuch bei Phillips.
    Er wählte die gleiche Nummer noch einmal. »Ich fürchte, so lange kann ich nicht mehr warten«, sprach er auf den Automaten. »Ich werde jede halbe Stunde anrufen, bis ich Sie erreiche.«
    Er legte sich in die Kissen, obwohl er nicht mehr mit Schlaf rechnete.

23
     
    Im ersten Schimmer der Morgendämmerung griff Carl Anderson mit zitternden Händen noch einmal zum Hörer. Er war mehrmals eingedöst; es war ein unruhiger Schlaf gewesen. Sein körperlicher Verfall hatte ihn immer wieder geweckt.
    Seine Gelenke waren gichtig und steif geworden. Seine Lungen schienen verstopft: Das Atmen wurde zum Röcheln. Die Finger griffen nicht: Der Hörer fiel klappernd zu Boden. Er wollte sich bücken und ihn aufheben, doch ein jäher Schmerz in der Wirbelsäule zwang ihn, sich wieder in die Kissen zu legen. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er wartete, bis der Schmerz vorüber war, dann tastete er nach der Schnur, und am Ende konnte er den Hörer zu sich emporziehen. Unter größten Mühen gelang es ihm, die Nummer von Warren Phillips zu drücken - wieder nur der Anrufbeantworter!
    »Ich kann nicht mehr warten«, stieß Carl hervor. »Ich komme sofort zu Ihnen.«
    Er setzte sich, vor Schmerz stöhnend, auf und bugsierte die Beine an den Bettrand. Die Knie wollten sich nicht biegen lassen. Er zwang sich auf die Beine. Beim Stehen drehte sich ihm der Kopf. Er musste sich am Nachttisch festhalten. Er hörte das Herz in der Brust klopfen. Schon das Aufstehen hatte ihn völlig erschöpft.
    Er versuchte, tiefer zu atmen. Mit jedem Atemzug empfand er Nadelstiche in der Brust. Er kämpfte gegen den Schmerz an. Unter größter Willensanstrengung gelangte er bis zum Badezimmer, und mit panischem Schrecken starrte er auf das Gesicht im Spiegel, das er nicht wiedererkannte.
    Ein alter Mensch. Viel älter als Carl Anderson. Es war, als ob die Jahre, die Phillips seit anderthalb Jahrzehnten mit seinen Spritzen zurückgedämmt hatte, nun auf einmal auf ihn herabstürzten.
    Die Haut hing ihm ledern und lose an den Kiefern. Die über Nacht ausgetretenen Bartstoppeln waren grau durchschossen. Durch das schüttere Haar sah er überall Kopfhaut. Die tief eingesunkenen Augen waren blutumrändert.
    Instinktiv griff er mit der Hand nach dem Spiegel, wie um das Bild fortzuwischen - die Nägel waren gebrochen, ihre Ränder schorfig; die vor wenigen Stunden kaum sichtbaren Leberflecken, die unheimlichen Verfärbungen des Alters, verunzierten seine Hände, und die Finger waren verknöchert und geschwollen. Die Angst stieg in ihm hoch. Carl wandte sich ab. Im Schlafzimmer zog er sich an wie am Vortag.
    Die Sachen hingen ihm lose um die Knochen; er schien die Hosen zu verlieren; das Hemd fiel faltig von den Hängeschultern.
    Sein Blick wanderte zum Kopfkissen - es war kaum zu sehen unter den Haaren, die ihm über Nacht ausgefallen waren.
    Der Tod begann nach ihm zu greifen - er konnte es spüren, an der Schwäche, die sich über seinen Körper ausbreitete.
    Er nahm

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