In den Klauen des Bösen
Carl. »Ich sterbe...«
Phillips kehrte nach kurzem Verschwinden mit dem Gewünschten zurück. Carl rollte sich schon die Ärmel hoch, als der Anblick der Spritze, die er gierig fixierte, ihm Zweifel einflößte.
»Sie ist ja halbleer. Wieso bekomme ich keine volle Dosis?«
Phillips tupfte Carls Arm mit Alkohol ab und steckte die Nadel ein. »Sie haben Glück, dass ich überhaupt etwas habe«, meinte er beim Impfen. »Wenn es nicht Jenny Sheffield gäbe...«
Carl spürte den Beginn der Wiederherstellung durch die Flüssigkeit im ganzen Körper. Eine wunderbare Wärme schien seine Schmerzen wegzuspülen. Nach wenigen Sekunden schlug sein Puls bereits ein wenig kräftiger und gleichmäßiger. Als das Panikgefühl nachließ, das ihn eben noch geschüttelt hatte, ging ihm die Bedeutung der Worte von Phillips allmählich auf. »Jenny Sheffield?« wiederholte er. »Aber sie...«
»Nun stellen Sie sich nicht dumm, Carl! Sie ist nicht tot. Sie befindet sich in meinem Labor. Und wenn Sie Glück haben, wird Jenny Sie am Leben halten, bis Sie mir ein anderes Kind finden.«
Die Angst kehrte wieder. »Das kann ich nicht zulassen«, murmelte Carl Anderson. »Ich zahle. Ich zahle viel...«
»Wieviel Sie zahlen, ist belanglos, wenn ich nichts habe, was ich Ihnen verkaufen könnte«, bemerkte Phillips düster. »Und an Ihrer Stelle würde ich mich ein Weilchen unsichtbar machen, Carl. Sie sehen furchtbar aus.«
Bei dem grausamen Unterton lief es Carl kalt über den Rücken. »Aber Sie haben doch gesagt...«
Warren Phillips schnitt ihm das Wort ab. »... was Sie zu tun haben, wenn Sie am Leben bleiben wollen.«
Ted Anderson kam in die Küche. Als er dort nur seine Frau entdeckte, blieb er überrascht stehen. »Wo ist Vater?«
Mary zuckte mit den Schultern. »Er muss sehr früh aufgestanden sein. Er war schon fort, als ich nach unten kam.«
Ted ging zum Ausgang, der in die Garage führte. Bis auf seinen alten Chrysler stand sie leer. Ted kam zurück und goß sich am Herd eine Tasse Kaffee ein. »Wo könnte er bloß so früh hingefahren sein?«
Mary sah ihren Mann an und sagte: »Tut mir leid, aber er hat mir keine Nachricht hinterlassen. Würdest du bitte Kelly zum Frühstück herunterrufen?«
Ted schritt zum Treppenaufgang und rief: »Kelly? Zeit zum Aufstehen!«
Er ließ sich am Küchentisch nieder, wo Mary ihm Eier mit Speck servierte; gleich darauf erschien Kelly im Morgenmantel, bleich, mit tiefen Ringen um die Augen. »Schatz? Ist dir nicht wohl?«
Er war sich nicht einmal sicher, dass Kelly ihn überhaupt gehört hatte. Sie starrte ins Leere, sie schien wie in einer anderen Welt. Dann änderte sich ihre Miene - als sei ihr ein Schleier von den Augen gefallen.
»Ich habe letzte Nacht wohl nicht gut geschlafen«, sagte sie tonlos.
Mary bemerkte den seltsam leeren Klang der Stimme sofort. »Na, wo liegt das Problem?« fragte sie aufmunternd.
Kelly schwieg. Was würden die Eltern wohl sagen, wenn sie ihnen erzählte, was sie in der Nacht erlebt und früh am Morgen gesehen hatte? Wie würden sie auf die Behauptung reagieren, Großvater habe ihr die Seele gestohlen?
Sie würden sie für verrückt erklären.
Aber sie war nicht verrückt. Ihre Erlebnisse im Moor und die Aussagen von Clarey Lambert waren, und das wusste sie ganz genau, völlig real.
Und am Morgen hatte sie Großvater tatsächlich beobachtet und die Realität der fürchterlichen Visionen, die sie seit frühester Kindheit gequält hatte, endlich begriffen.
Jetzt wusste sie, dass sie nicht unter Halluzinationen und Hirngespinsten gelitten hatte. Sie kannte die Wahrheit.
Eine Wahrheit, über die sie nur mit Michael Sheffield sprechen konnte, weil ihr sonst niemand glauben würde.
»Ich... Mir geht’s gut«, murmelte sie.
Es ging ihr jedoch gar nicht gut.
Sie hätte sich im strahlenden Licht dieses vollkommenen Sommermorgens ihres Lebens freuen sollen und empfand nur Angst und Schrecken.
Einen furchtbaren Schrecken, dem sie vielleicht nie entkommen würde.
Ted bog auf das Gelände der Villejeune Golfplätze Grundstücke, und mit einem Gefühl der Erleichterung entdeckte er den Pick Up seines Vaters vor dem Wohnwagen, der als Baubüro diente. Auch Ted traf früher ein als üblich. Die Baustelle war noch menschenleer. Er parkte seinen Chrysler neben dem Pick Up seines Vaters, schaltete den Motor aus und trat ein.
»Vater?« rief er. »Vater, ich bin’s!«
Die Bürotür am Ende des Wohnwagens war geschlossen. Ted drehte sich um und begab
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