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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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tieferes Wasser, wo er die Ruder anlegte und das Boot treiben ließ; denn hier flossen selbst im scheinbar stillen Wasser schwache Strömungen durch die engen Bayous.
    Tim fielen wieder Judd Duvals Worte vor der Ausfahrt ins Moor ein: »Wenn Sie sich verirr’n, lass’n Sie das Boot treib’n. Man sieht’s nicht, aber das Wasser bewegt sich doch, und wenn Sie sich der Strömung überlass’n, trägt sie Sie wieder aus dem Moor heraus.« Die Sumpfratte hatte böse gegrient. »Es dauert natürlich ‘n paar Stunden. Kann auch sein, dass Sie fünfzehn oder zwanzig Meil’n von Villejeune entfernt landen. Aber lieber so, als die Nacht im Moor verbringen müssen, oder?«
    Gottseidank hatte er hingehört und sich’s gemerkt. Er sah ein Insel-Labyrinth vorbeigleiten. Die Zypressen wurden weniger. Die Landschaft war offener als in der Umgebung von Villejeune. Sumpfgräser wuchsen üppig. Reiher und Flamingos standen in den Seichten und steckten den Schnabel auf Futtersuche in den Boden. Das Boot trieb um eine Biegung. Da hörte er ein leises Schnaufen. Als er sich umsah, konnte er gerade noch ein Wildschwein im Schilf verschwinden sehen.
    Dann änderte die Landschaft sich erneut, und wieder befand er sich unter Baldachinen von moosüberwachsenen Zypressen. Die Strömung wurde ein wenig rascher, weil die Inseln größer, die Wasserarme zwischen ihnen aber enger und tiefer wurden.
    Ein Haus kam in Sicht - falls man es als Haus bezeichnen konnte. Was da auf faulenden Pfählen am Rande des Wassers stand, war eher eine Baracke. An einer Ecke hing der Boden arg durch. Die Fensterrahmen waren ohne Scheiben.
    Kitteridge hielt es zunächst nur für einen Unterstand zum Fischen, der seit langem nicht mehr benutzt wurde. Als er jedoch anlegte, fing sein Blick eine winzige Bewegung auf, und er tauchte die Ruder gegen die Strömung ins Wasser. Er behielt das verfallene Gebäude im Auge, meinte schon, er hätte sich getäuscht, dort hielte sich doch niemand auf, als im Inneren eine Gestalt durch die Schatten und den Hinterausgang schoß. Kitteridge legte sich mächtig ins Zeug. Das Boot schnitt durchs Wasser, doch als er das Dickicht hinter dem Haus zu Gesicht bekam, war die Gestalt längst verschwunden.
    Den spontanen Gedanken, sie im Unterholz zu verfolgen, gab Kitteridge rasch wieder auf. Im Boot würde ihn die Strömung am Ende ins Freie bringen. Zu Fuß wäre er binnen Minuten völlig verloren.
    Er ruderte jetzt mit der Strömung zwischen den immer größeren Inseln, auf denen er mehr und mehr verfallene Hütten bemerkte. Der Abstand zwischen ihnen war beträchtlich - als ob hier jeder ganz für sich sein wollte.
    Gelegentlich sah er auch Menschen - dünne, schmalköpfige Frauen in verblaßten Baumwollkleidern, mit mürrischen, verwitterten Gesichtern; an einige Frauen klammerten sich Kinder. Sie beobachteten ihn mißtrauisch, als er vorüberglitt; ihre Feindseligkeit war fast mit Händen zu greifen. Ein paarmal versuchte er es mit einem Gruß; niemand grüßte zurück. Beim Klang seiner Stimme verschwanden die Frauen im Dunkel ihrer Hütten. Die Kinder trieben sie vor sich her.
    Nach einer weiteren Biegung lag eine Holzhütte vor ihm, auf deren Veranda eine einsame, hochschwangere Frau stand, und er wusste sofort, wer sie war - Amelie Coulton, die Judd und Marty am Abend vorher zur Leiche geführt hatte.
    Sie schien Kitteridge zu erwarten - ein Eindruck, der sich verstärkte, als sie argwöhnisch zu ihm herunterschaute.
    »Ich hab’ den Mann gestern abend nich’ umgebracht«, sagte sie. »Ich bin nur rausgefahr’n, weil ich dacht’, es könnt’ George sein, ‘s war aber nich’ George.«
    »Sie haben berichtet, George sei gestern abend fortgegangen. Mit dem sogenannten Schwarzen Mann.«
    Amelie wurde aschfahl, ihr Gesicht verschlossen, ihre Stimme monoton. »Davon weiß ich nix.«
    »Das haben Sie Judd Duval und Marty Templar aber erzählt«, widersprach Kitteridge.
    Amelie zuckte mit den Schultern. »Mir war gestern abend nich’ wohl. Ich weiß nich’ mehr, was ich gesagt hab’.«
    So kam Kitteridge wohl nicht weiter. Er wandte eine andere Taktik an. »Aber George ist gestern abend ausgegangen?«
    Amelie entspannte sich offensichtlich. »Er geht immer weg. Zum Fischen, zum Trinken - is’ auch egal, solang’ er nur weg is’.«
    Schweigen. Der Mann im Boot und die Frau auf der Veranda beäugten sich mißtrauisch. »Wo befindet er sich jetzt?« fragte Kitteridge schließlich. »Ist er gestern Nacht wieder

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