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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Experiment. Der Schwarze Mann hatte beobachten wollen, wie sie sich außerhalb des Zirkels entwickelten. Das Mädchen war in die Ferne geschickt worden; der Junge lebte nahebei.
    Auch dafür kannte Clarey Lambert den Grund.
    An Michael Sheffield wollte der Schwarze Mann die Reichweite des Rufsignals studieren. Clarey hatte bemerkt, wie er bei allen Zeremonien nach Michael suchte; doch bisher war Michael nie zur Versammlung des Zirkels erschienen.
    Clarey hatte ihn manchmal auf seiner Suche nach dieser Insel erahnt. Er hatte die Insel aber nie gefunden, weil Clarey ihn nie gerufen oder hergeführt hatte.
    Nun aber war das Mädchen zurückgekehrt. Heute waren die beiden sich begegnet. Gemeinsam hatten sie den Ruf dieser Nacht vernommen und geantwortet. Im Schutz der Bäume sah Clarey die beiden inmitten der anderen Kinder warten und empfand furchtbare Angst.
    Das kleine Feuer inmitten der Lichtung brannte hell. Die Flammen flackerten gegen das Dunkel an und beleuchteten den Altar. Vom feuchten Holz sprühten Funken zum Halbkreis der umstehenden Kinder hinüber - reglos und schweigend standen dort fünfundzwanzig Kinder im Alter zwischen vier und zwanzig Jahren, in zerrissener Kleidung, die vor ihnen andere Kinder getragen hatten, mit Gesichtern, die sich in gewisser Weise glichen.
    Es waren die schmalen Gesichter der Sumpfratten mit strähnigem, ungepflegtem Haar.
    Und es waren hagere Kinder; ihre mageren Körper zeugten von der Armut, in der sie lebten, und obwohl ihre Augen den Feuerschein reflektierten, wirkten sie trübe und dumpf.
    Sie wirkten sehr alt, weniger durch eine Kraftlosigkeit der körperlichen Haltung - die meisten hielten sich aufrecht -, als des Geistes.
    Kelly und Michael standen an einem Ende des Halbkreises nebeneinander. Des Kontrasts, den sie zu den übrigen bildeten, waren sie selbst sich nicht bewusst, da sie ganz im Bann des hypnotischen Lockrufs von Clarey standen. Sie spürten bloß, dass sie hierhergehörten, dass etwas sie mit den übrigen Kindern verband, die sie nie zuvor gesehen hatten.
    Sie wussten nicht, worauf sie warteten, wohl aber, dass es auch sie anging.
    Hinter dem Altar bewegte sich plötzlich etwas. Aus den Schatten der Bäume trat eine Gestalt, gekleidet in scharlachrote Gewänder mit Stickereien in Gold und Silber. Sie blieb stehen, heftete ihren Blick auf die Kinder und hob die weit ausgebreiteten Arme.
    Clarey Lamberts Stimme ertönte. Nicht die gewöhnliche, schwache, heisere Stimme - ihre Stimme erklang mit der hellen Klarheit einer jungen Frau in der Blüte ihres Lebens: »Sind meine Kinder versammelt?«
    »Wir sind da«, antwortete es einstimmig.
    Clarey drehte sich zum Altar und ließ die Arme sinken. Sie zündete die Kerzen an, langsam, eine nach der andern, und jede Kerze beleuchtete eine Puppe. Es waren handgefertigte Puppen mit individuellen Gesichtern, und doch waren auch ihre Gesichter irgendwie ähnlich; die Augen glitzerten im Kerzenlicht.
    Clarey wandte sich an die versammelten Kinder.
    »Er ist bei uns«, sagte sie. Die Worte kamen ihr von den Lippen wie ein intoniertes Gebet.
    »Er kommt, um uns zu segnen«, antworteten die Kinder wie mit einer Stimme.
    Die schwarzgewandete Gestalt trat voll unter den Bäumen hervor und blieb kurz vor dem Altar stehen, bevor sie sich der Versammlung zukehrte.
    Das Gesicht des Schwarzen Mannes war - wie der ganze Körper - schwarz verhüllt, doch aus zwei Löchern in der Kapuze, die sein Gesicht maskierte, glühten seine Augen im Feuerschein.
    Die Augen des Schwarzen Mannes wanderten von Kind zu Kind, bis sie auf Michael und Kelly ruhten.
    »Meine Kinder kehren heim«, sagte er mit in der klammen Dunkelheit gut vernehmbarer Stimme, und er kam vom Altar quer über die Lichtung, ohne Michael und Kelly auch nur einen Moment lang aus den Augen zu lassen.
    Sie traten nicht vor, wichen aber auch nicht zurück. Wie aus Stein gemeißelt standen sie da, den Blick ruhig und fest auf die schwarze Gesichtsmaske gerichtet. Etwa einen Meter vor ihnen blieb der Schwarze Mann stehen. Er öffnete die Arme.
    »Kommt«, sprach er. »Ihr habt mir gefehlt.«
    Er nahm sie bei den Händen und führte sie zum Altar. »Ihr habt eine Gabe zu geben«, sagte er mit sonorer Stimme. »Warum habt ihr sie zurückgehalten?«
    Unwillkürlich formten sich Worte in den Kehlen von Michael und Kelly.
    »Wir waren verloren«, sagten sie. »Nun haben wir heimgefunden.«
    Er legte je eine Hand auf beider Schultern und drehte sie mit dem Gesicht zu sich. Und

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