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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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mit dem Gesicht zur Wand und gab keine Antwort. Sie zitterte am ganzen Körper. Barbara ließ sich auf dem Stuhl neben dem Bett nieder und legte Amelie die Hand auf die Schulter. »Amelie. Ich bin’s. Barbara Sheffield.«
    »G... geh’n Sie weg«, stöhnte Amelie.
    »Amelie, ich möchte Ihnen doch nur helfen.«
    Amelie wich vor Barbaras Berührung zurück. »Mir kann keiner helf’n«, schluchzte sie. »Mein Baby... ich will mein Baby!«
    »Natürlich«, tröstete sie Barbara. »Ich verstehe Sie ja. Aber die Realität ist manchmal hart.«
    Amelie drehte sich plötzlich um und starrte Barbara mit fiebrigen Augen an. »Warum darf ich ihn nich’ hab’n?« flehte sie.
    Es zerriß Barbara fast das Herz. Sie zog die junge Frau an sich. »Ach, Amelie, es tut mir ja so leid.«
    »Sie woll’n mir’s nich’ bring’n«, schluchzte Amelie. »Wie soll ich für mein’ Kleinen sorgen, wenn sie ihn mir nich’ geb’n? Er braucht doch seine Mami!«
    Barbara streichelte Amelies feuchtes, wirres Haar. »Es wird alles wieder gut, meine Liebe. Und für Ihren kleinen Sohn wird der Herrgott sorgen.«
    Amelie verkrampfte sich. »Nein!« klagte sie. »Es is’ weg’n mir! Sie woll’n mir’s Baby nich’ geb’n, weil sie mein’, dass ich keine gute Mutter wär’!«
    Barbara traten die Tränen in die Augen. Es war ihr ja selbst so ergangen - sie hatte es einfach nicht glauben, nicht wahrhaben wollen. Es konnte doch nicht tot sein, das kleine Mädchen, auf das sie sich gefreut hatte vom ersten Moment der Schwangerschaft. Sie hatte die Tatsache nicht einmal akzeptieren wollen, als Craig ihr erklärt hatte, dass die Nabelschnur sich um den Hals der Kleinen gewickelt und sie noch vor dem ersten Atemzug erstickt hatte.
    »Nein, Amelie«, sagte Barbara. »Das hat mit Ihnen nichts zu tun. Das ist von allein so gekommen. Aber ich kann Ihre Reaktion verstehen. Wirklich.«
    Amelie entzog sich ihr verzweifelt. »Nein«, stöhnte sie, »das könn’ Sie nich’. Das kann keine Frau versteh’n, die’s nich’ selber erlebt hat.«
    Barbara atmete schwer; bei der Erinnerung an das eigene Leid vor sechzehn Jahren wurden ihre Augen feucht. »Ich habe es selber erlebt«, sagte sie leise. »Ich will auch gar nicht behaupten, dass Sie es je vergessen werden. Auch ich habe mein Baby verloren, bevor ich es in den Armen gehalten habe. Ich habe damals selbst sterben wollen. An den Tod meiner kleinen Tochter muss ich heute noch täglich denken. Ich frage mich, wie sie heute wohl aussehen würde, und stelle mir all die Dinge vor, die wir gemeinsam erleben könnten.«
    Amelie kniff mißtrauisch die Augen zusammen. »Sie lüg’n mich an, Miz Sheffield«, sagte sie. »Ihr Baby is’ nich’ gestorb’n. Sie hab’n ein’ Jungen von sechzehn, un’ ein klein’ Mädchen von sieben. Das hab’n Sie mir letzte Woch’ selbst erzählt.«
    Barbara nickte. »Das stimmt, Amelie«, sagte sie. »Aber Michael ist nicht das Baby, das in jener Nacht geboren wurde. Als ich nach dem Tod meines kleinen Mädchens auch selbst nicht mehr leben wollte, da hat mir Dr. Phillips den Michael gebracht. Er war erst zwei Wochen alt. Eine Woche älter als mein Mädchen. Seine Mutter wollte ihn nicht haben, da hat Dr. Phillips ihn zu mir gebracht. Ich hatte ihn zuerst gar nicht annehmen wollen. Doch als ich ihn in den Armen hielt, da habe ich gewusst, ich brauche ihn, genauso wie er mich braucht. Und langsam kam ich über meinen Schmerz hinweg. Aber vorher, bevor ich Michael hatte, in der ersten Woche, da habe ich nicht mehr leben wollen. Da habe ich mich genauso gefühlt, wie sie jetzt.«
    Amelie zitterte. Barbara spürte, wie Amelie die Kontrolle über sich verlor. Aber dann fiel sie plötzlich still in den Kissen zusammen und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Aber für mich wird’s nich’ so kommen«, schluchzte sie.
    Barbara schüttelte den Kopf. »Das können Sie nicht wissen, Amelie.«
    Amelie ließ die andere Hand auf ihren Schoß sinken und sah Barbara mit tiefliegenden Augen voll Schmerz und Hoffnungslosigkeit an. »Es wird nich’ so kommen«, sagte sie. »Sie sind eine gute Frau, Miz Sheffield. Aber sie dürf’n mich nich’ anlügen. Ich bin nich’ gebildet, aber ich bin nich’ dumm. Einer wie mir wird keiner ‘n Baby schenken. Ich hab’ keine Arbeit und hab’ kein’ Mann mehr und wohn’ in ei’m Schuppen im Moor. Frau’n wie mir schenkt man keine Babys. Und der Herr hat’s gewusst. Deshalb hat er mir den Kleinen genommen. Sogar Gott kann mich

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