In den Klauen des Bösen
diesmal senkte er seine Stimme, so dass nur sie ihn zu hören vermochten. Er sprach rhythmisch und sanft, beruhigend, mit einer Melodik, die sie in einen hypnotischen Schlaf versetzte, und als sie die letzte Regung ihres eigenen Willens aufgegeben hatten, befahl er ihnen, sich vor dem Altar auf den Boden zu legen.
Michael näherte er sich zuerst.
Er zog eine lange Nadel aus seinem Gewand. Als Michael sein Hemd aufknöpfte und die Brust freimachte, fixierte der Schwarze Mann die winzige, kaum sichtbare Narbe, die sich seit dem Tag der Geburt dort befand. Er lächelte voller Befriedigung, bevor er Michaels Augen fixierte. »Hast du Angst?«
»Nein.«
»Wirst du Schmerz spüren?«
»Nein.«
»Gibst du deine Gabe freiwillig und gern?«
»Ich gebe sie gern.«
Da senkte der Schwarze Mann langsam die Nadel, stieß sie tief in Michaels Brust und begann den Sauger behutsam nach oben zu ziehen.
Aus Michaels Körper floß ein einziger Tropfen trüber Flüssigkeit in die Kammer der Impfnadel.
Danach wandte der Schwarze Mann sich Kelly zu, knöpfte ihr die Bluse auf, machte ihre Brust frei und wiederholte das Ritual. Zum Schluss stellte er sich mit den beiden hocherhobenen Impfnadeln vor den Altar.
»Jugend«, intonierte er. »Jugend, großherzig gespendet.«
Nachdem er die Nadeln auf den Altar gelegt und mit einem Tuch verdeckt hatte, drehte er sich wieder zu den beiden Kindern um. »Erhebt euch«, befahl er. »Gesellt euch zu euren Brüdern und Schwestern.«
Kelly und Michael standen vom Boden auf und fügten sich wieder in den Halbkreis hinter dem Feuer ein.
Jonas Cox stand neben Loretta Jagger. Sein Arm lag auf ihrer Schulter; sie wiegte ein Kind an ihrer Brust. Schweigend beobachtete er die Zeremonie, in der Kelly Anderson und Michael Sheffield dem Schwarzen Mann ihre Gabe schenkten. Dann käme er an die Reihe - er und Loretta Jagger, und er wusste auch, dass ihrer beider Gabe viel wertvoller war als die von Kelly und Michael. Babys schätzte der Schwarze Mann über alles. Jonas und Loretta hatten selbst noch kein Kind gezeugt. Trotzdem war ihnen die Ehre zuteil geworden, dem Schwarzen Mann das Baby zu präsentieren, das in Lorettas Armen lag.
Vielleicht dürften sie dieses Baby sogar behalten und in der Hütte aufziehen, die sie nach dem Tode seines Großvaters im vergangenen Jahr bezogen hatten. Sie waren noch nicht verheiratet, doch sobald Loretta schwanger wäre, würde der Schwarze Mann sie hier auf der Insel vor dem Altar des Zirkels vermählen.
Aber nicht vorher - der Schwarze Mann erlaubte seinen Kindern die Heirat erst, wenn sie ihren Glauben an ihn durch die Zeugung eines Kindes bewiesen und es ihm in der Nacht nach der Geburt präsentiert hatten.
Das war auch der Grund - Jonas wusste es genau -, warum George Coulton aus dem Zirkel entlassen worden war. Jonas glaubte auch jetzt noch nicht, dass George gestern gestorben war; er glaubte nämlich, wie alle Kinder des Schwarzen Mannes, in die Finsternis des Todes geboren zu sein und nur im Dienst und Gehorsam für den Schwarzen Mann leben zu können.
Für das Baby in Lorettas Armen stand der Beginn der langen Reise zum Leben bevor. In dieser Nacht würde es in den Zirkel aufgenommen, danach würde der Schwarze Mann sich persönlich seiner annehmen und es während der ersten Monate pflegen und anschließend einer der Frauen im Zirkel anvertrauen, die es in dem Glauben aufziehen müsste, dass es ein besonderes Kind war, das mit den Kindern außerhalb des Zirkels nichts gemein hatte.
Und wenn Jonas vollkommenen Gehorsam bewiese - und bisher hatte Jonas stets totalen Gehorsam geleistet - und weitere Babys für den Schwarzen Mann zeugte - was Jonas vorhatte -, dann würde er eines Tages vom Zirkel freigegeben und zu den großen Männern gehören - einige waren Jonas schon bekannt -, die nicht wie Sumpfratten lebten. Und wenn die Zeit reif war und er sich als würdig erwiese, würde auch ihm die Gabe des Zirkels zugute kommen.
Wenn er sich aber nicht als würdig erweisen sollte, wenn er dem Schwarzen Mann nicht Gehorsam leistete... Für den Bruchteil einer Sekunde schoß Jonas das Bild George Coultons durch den Sinn.
Er wurde in seinen Gedanken unterbrochen, weil er seinen Namen hörte. Gemeinsam mit Loretta trat er aus dem Halbkreis auf den Altar zu, wo der Schwarze Mann sie beide erwartete. Jonas Cox nahm Loretta das Baby aus dem Arm und legte es in die Arme des Schwarzen Mannes, der sich zum Altar umdrehte und das Baby emporhob.
»Jonas Cox und
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