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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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sterben müssen und nur auf Kosten der Jugend dieser Kinder noch lebten.
    Männer, die Clarey inzwischen fast so heftig hasste wie den Schwarzen Mann selbst.
    Kelly sah die alte Frau auf der Veranda. Ihr Gesicht lag im Schatten, doch trotz des Dunkels war Kelly sich absolut sicher, die Frau zu kennen.
    »Komm herauf, Kind«, sagte Clarey mit altersschwacher Stimme. Kelly richtete sich unsicher auf und stieg die Leiter hoch, die vom Bayou zur zwei Meter höher gelegenen Veranda führte. Als die Frau sich ihr zuwandte und der Lampenschein aus der offenen Tür auf ihr Gesicht fiel, stand Kelly fast der Atem still.
    Die Gesichtshaut der Frau war trocken wie Pergament und faltig; das schüttere Haar war im Nacken zu einem Knoten gebunden. Sie trug ein schwarzes Kleid, das ihr lose um die Knochen hing, und die Hände, die sie Kelly entgegenstreckte, hatten geschwollene Gelenke; die gekrümmten Finger wirkten krallenähnlich.
    Der Blick aber war bar jeder Grausamkeit, sondern voller Anteilnahme, so dass Kelly sich der Frau am liebsten in die Arme geworfen hätte.
    »Komm, Liebes«, sagte Clarey sanft. »Komm, damit ich dich wieder halte.«
    In ihrer Umarmung fühlte Kelly sich wohl.
    »So schön«, sang Clarey mit leiser Stimme, während ihre verschrumpelten Finger Kelly über das Haar streichelten. »Immer die schönste, immer die liebste von allen.«
    Kelly hörte das Klopfen des Herzens, als ihr Kopf an der verwelkten Brust der Alten ruhte.
    Und wieder empfand sie dieses seltsame Gefühl des Vertrauten, den Eindruck, als hätte diese Frau sie schon einmal in ihren Armen gehalten.
    In der Dunkelheit tuckerte leise ein Motor; ein anderes Boot schob sich ins Blickfeld, das bald mit abgestelltem Motor vor dem Haus einlief. Jonas nahm das Tau von Michael entgegen und band es an einen Pfahl. Die beiden Jungen kletterten die Leiter hoch. Als sie auf die Veranda traten, entließ Clarey Kelly aus der Umarmung, nahm sie bei der Hand und führte sich ins Innere der Hütte. Jonas und Michael folgten.
    Clarey schloss die Tür hinter ihnen. Sie hing die Lampen auf, deren heller Schein die Schatten aus dem Zimmer fegte. Dann schenkte sie Kelly ein Lächeln.
    »Erinnerst du dich an meine kleine Hütte?«
    Kelly schaute sich neugierig um; in einer Ecke standen ein Kohleherd, ein Spülbecken und ein Schrank; in der Ecke gegenüber ein durchhängendes Bett, an dessen Fußende ein altmodischer, gußeiserner Badebottich stand, in dem selbst ein in sich zusammengekrümmter Mensch wohl kaum genügend Platz gefunden hätte. An einer Wand war ein abgewetztes Sofa zu sehen; in der Nähe des Ofens ein Schaukelstuhl. Den Boden bedeckte ein geflochtener Teppich.
    Eine ähnlich bescheidene Behausung hatte Kelly noch nie gesehen, und doch kam sie ihr, wie die alte Frau, seltsam vertraut vor.
    »Ich weiß nicht«, murmelte Kelly.
    »Komm her, Kind«, sagte Clarey und führte Kelly zum Spülbecken. Sie schwang den Schwengel einer Pumpe, aus der Wasser ins Becken schoß, und nahm einen Waschlappen vom Wandhaken, den sie Kelly reichte. »Du wirst noch viel schöner, wenn du dir’n Dreck aus’m Gesicht wäschst.«
    Kelly schaute in den zersprungenen Spiegel über der Spüle. Gesicht und Haare waren schlammverschmiert. Sie beugte sich vor, legte den Kopf unter die Pumpe, begann den Schwengel zu betätigen und wusch den Schmutz von sich ab. Die letzten Flecken wischte sie sich mit dem Waschlappen aus dem Gesicht und tastete dann nach dem Handtuch am Haken, von dem Clarey den Waschlappen genommen hatte. Sie wickelte sich das Tuch um den Kopf und richtete sich auf.
    Im Spiegel erkannte sie das Gesicht des uralten Wesens, das sie ihr ganzes Leben lang verfolgt hatte. Sie erstarrte. Dann hörte sie das freundliche Lachen der alten Frau.
    »Keine Angst«, sagte Clarey. »Das is’ nich’ er. Das bin ich, Clarey.«
    Kelly drehte sich bleich und verstört nach der Alten um. »Woher wissen Sie von ihm?«
    Clarey lächelte. »Also, nun frag nich’ so. Ich weiß ‘ne ganze Menge.« Ihr Blick ruhte auf Kelly. »Möchtest du wiss’n, wer du bist?«
    Kelly sah die Alte bloß stumm an.
    »Er hat dich geklaut«, sagte Clarey. »Der Schwarze Mann hat dich deiner Mama geklaut und zu mir ‘bracht, da warst du noch kein’ Tag alt. Dann hat er dich mir weggenomm’ und gesagt, dass du nie mehr ‘rückkommst, dass er dich freigeb’n will.« Ihr zitterte das Kinn; eine Träne rollte ihr die Backe herunter. »Aber da war’s schon zu spät, nich’ wahr? Da hatt’ er

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