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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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könnte... Es schien aber weit, weit weg, und sie war schrecklich müde.
    Sie stöhnte. Dann fühlte sie, dass sie ihre Arme ja bewegen konnte. Das Licht wurde heller. Ihr wurde bewusst, dass sie die Augen aufgeschlagen hatte.
    Der Mond.
    Das Licht war die Sichel des Mondes. Mit der Erkenntnis kehrten auch die Erinnerungen zurück - die Flucht durchs Moor; der Angriff des Alligators; der Schuss; an jemand, der sie aus dem Schlamm gezerrt und ins Boot gehievt hatte; an sein Gesicht.
    Das Gesicht einer Sumpfratte.
    Sie bekam vor lauter Angst plötzlich keine Luft mehr. Unwillkürlich wanderte ihr Blick vom Mond zum Gesicht des Mannes in der Bootsmitte.
    Es war kein Mann.
    Ein Junge!
    Ein Junge, den sie schon einmal gesehen hatte. Dann fiel es ihr wieder ein.
    »Ich kenne dich«, sagte sie. »Ich habe dich an meinem ersten Abend in Villejeune gesehen. Am Rande des Moors.«
    Jonas nickte. »Ich hab’ auf dich gewartet.«
    »Aber ich habe nach dir gesucht«, meinte Kelly perplex, »und konnte dich nicht finden.«
    Jonas zog die Ruder an. Das Boot glitt still in einen schmalen Bayou zwischen zwei winzigen Inseln. »Macht nix. Ich war da. Hab’ aufgepaßt, dass dir nix passiert. Wie heut’ nacht auch.«
    Kellys Verwirrung wuchs. »Du hast nach mir gesucht?«
    »Ich braucht’ nich’ such’n. Ich wusst’, wo du warst.«
    Schweigend musterte sie den Jungen im blassen Mondlicht. Er trug eher Lumpen als Kleidung; und er wirkte halb verhungert.
    Wenn sie ihn so, mit seinen hohlen Wangen und den tief in den Höhlen liegenden Augen, in Villejeune gesehen hätte, wäre ihr angst und bange geworden.
    Doch jetzt hatte sie überhaupt keine Angst mehr vor ihm - obwohl sie sich im Inneren des Sumpfgebietes befanden, und noch dazu in tiefster Nacht. Er schien ihr vertraut.
    »Du gehörst zu ihnen, nicht wahr?« fragte sie.
    Jonas sah sie nur mit leerem, ausdruckslosen Blick an und ruderte weiter; mühelos fand er durch das Gewirr der Wasserwege seinen Weg.
    Hier und dort schimmerte Licht, der weiche, warme Schein von Öllaternen, als sie in den Umkreis der Pfahlhütten von Sumpfratten kamen; dass dies nicht ihr Ziel sein konnte, war Kelly klar, obwohl der Junge schwieg. Ihr Ziel musste sich noch tiefer im Inneren des Moores befinden.
    Jonas tauchte die Ruder so geschickt ins Wasser ein, dass nicht das leiseste Platschen ihre Anwesenheit verriet - nur das leichte Kräuseln des Wasserspiegels hinter dem Boot.
    Amelie Coulton auf ihrer Veranda sah sie vorübergleiten, und als das schmale Boot langsam durch den Bayou glitt, regte sich etwas in ihrem Herzen, und sie erhob sich aus ihrem durchgesessenen Stuhl und stieg von der Veranda in ihr altes Skiff, das an einem der Hauspfähle vertäut war.
    Der Mondschein war gerade so hell, dass sie dem Kräuseln des Wassers folgen konnte.
     
    »Kelly?« rief Jenny laut. Doch ihre Stimme klang nicht lauter als Flüstern. »Kelly! Ich bin’s!« Sie horchte, hörte aber nur das Zirpen der Insekten.
    Sie wusste nicht, wie weit sie schon gekommen war, doch der geteerte Weg längs des Kanals hörte schließlich auf. Vor ihr lag ein Gebiet mit Fichten und Kletterpflanzen, wo nur ein schmaler Pfad am Kanal entlangführte. Sie war schon stehengeblieben, als sie plötzlich ihren Standort erkannte.
    Das Elternhaus lag auf der anderen Seite der Fichten, zwei Straßen weiter. Hier war sie zwar noch nie gewesen; in den Büschen auf der anderen Seite hatte sie aber mit Freundinnen oft Versteck gespielt.
    Und etwa in der Mitte lag dort am Kanal eine Hütte, die sie immer für ein Hexenhaus gehalten hatte, bis ihr Vater sie einmal mitgenommen hatte. »Dort wohnt ein Polizist«, hatte er erklärt. »Wenn du dich beim Spielen einmal verirren solltest oder einen Fremden siehst, läufst du einfach zu dieser Hütte. Er wird sich um dich kümmern. In dem Haus gibt es nichts, wovor du dich fürchten müsstest.«
    Beim Anblick dieser Baracke, von der die Farbe bröckelte und die auf gefährlich vermoderten Pfählen stand, hatte sie sich als Bewohner wirklich nur eine Hexe vorstellen können. Aber ihr Vater hatte sich der Hütte von hinten herum genähert und geklopft, und ein Mann hatte aufgemacht.
    Er hieß Mr. Duval und machte ihr überhaupt keine angst. Er hatte ihr sogar versprochen, sie eines Tages, wann sie wollte, im Boot mitzunehmen und ihr das Fischen beizubringen.
    Sie zögerte. Zwischen den Bäumen konnte sie gerade nur die Umrisse des Daches erkennen.
    Falls Kelly sich verirrt hatte, wäre sie vielleicht

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