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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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neben dem Jeep begannen die Begleiter Malangas wieder zu brüllen, nannten ihre Namen und beschimpften die versteckten Schützen. Aber niemand zeigte sich. Die Soldaten Budumbas warteten. Ein toter Löwe ist erst tot, wenn er stinkt, sagt ein Sprichwort.
    »Er darf das Lager nicht erreichen!« hatte Budumba den Kommandeuren der Nachhut befohlen. »Er will unser Volk verraten! Jahrelang hat er unter den Weißen gelebt, er hat dort studiert, ihr Wissen aufgesaugt, weiße Frauen geliebt … er ist selbst ein Weißer geworden! Verhindert, daß er zu Kirugu kommt. Und vertraut nicht seinen Worten: Bei den Weißen hat er die Doppelzüngigkeit gelernt. Tötet ihn, wo ihr ihn trefft!«
    Dann hatte Budumba wieder seinen Zauber losgelassen, den Kriegern mit Kreide kleine Kreise auf die Stirn gemalt und zu ihnen gesagt: »Ihr seid unverwundbar! Die Kugeln werden kurz vor euren Körpern abbiegen und in die Erde fahren. Ihr seid die Lieblinge der Götter geworden.«
    Malanga kroch in sich zusammen, spannte seine Muskeln an wie eine Katze, die sich zum Sprung duckt, hielt einen Augenblick den Atem an und schnellte dann vor. Wie ein schwarzer Panther flog er durch die Luft, mit vorgestreckten Armen, und landete im Gras, ehe die verblüfften Schützen erneut die Abzüge ihrer Schnellfeuergewehre durchziehen konnten.
    Malanga rollte sich weiter, bis er an einen Körper stieß, der platt auf der Erde lag. Es war der Unteroffizier der Streife, die Malanga in der Steppe aufgelesen hatte. Er zitterte und rollte ängstlich mit den Augen.
    »Sind die verrückt geworden?« keuchte Malanga und preßte den Kopf in das harte Gras. »Sie wissen doch, wer ich bin.«
    Der Unteroffizier des I. Bwamba-Bataillons zitterte. »Darum schießen sie ja, Bwana.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Es sind Anhänger Budumbas. Wir haben zwei Gruppen, Bwana … Budumba und Kirugu. Und Budumba hat die Macht. Er ist ein großer Zauberer.«
    »O Himmel.« Malanga lag ausgestreckt im Gras. Über ihn hinweg schwirrten die ungezielten Kugeln. »An alles habe ich gedacht … nur daran nicht.«
    Es ist mein Fehler, dachte er. Ich habe mein Volk mit den Augen eines Menschen gesehen, der in Europa den Fortschritt und den Beginn des 21. Jahrhunderts gesehen hat. Ich habe zuviel verlangt von meinem Volk. Ich habe vergessen, daß hier in den Herzen und Hirnen noch das Mittelalter vorherrscht, daß sie an Zauber glauben, an Götter und Geister. Ich habe zu modern gedacht. Und plötzlich erkannte er bedrückt, daß er aus diesem Volk herausgewachsen war, daß er wirklich das war, was Budumba mit unheimlichem Instinkt erkannte: Ein in europäischer Mentalität denkender Farbiger, ein Verlorener für das alte Afrika, ein Fremder in den Savannen, in denen er zwar geboren war, denen er aber in den langen Jahren des Studiums der Zivilisation vollkommen entwachsen schien. Er war ein Bantu, aber er dachte, fühlte und handelte europäisch.
    Das Schießen verstummte wieder. Malanga wußte, daß sie sich nun an den Jeep schleichen würden, um ihn zu ›erobern‹. Ein neuer, größerer Zauber, als ihn Budumba praktizieren kann, würde sie umstimmen, dachte Malanga. Aber was habe ich denn? Alles liegt in dem Landrover, mit dem Thorwaldsen nach Osten fährt. Meine Koffer und Kisten, Medikamente und Instrumente … und Corinna.
    Malanga atmete tief auf. In seinem Herzen brodelte der Haß. Nein, sagte er sich, nein! Ich bin kein europäisierter Neger. Ich habe mein Volk nicht verraten. Ich bin der Bantu Malanga und sonst nichts. Ich will das Gift der weißen Denkart wieder aus mir herausdrücken, ich will ein Neger sein, ein Schwarzer, ein Nigger.
    »Hört zu!« rief er. »Ich kenne eure Befehle. Aber ich weiß auch, daß es besser für alle Bwambas ist, wenn ich lebend zu Budumba komme. Ich bringe euch einen neuen Zauber mit, der dem ganzen Volke nützen wird. Zwei Nächte bin ich allein gewandert und habe mich mit den Geistern unterhalten. Sie lieben unser Volk.«
    Der Unteroffizier neben Malanga kroch näher an ihn heran. »Ist das wahr, Bwana?« flüsterte er heiser.
    »Ja«, antwortete Malanga kurz.
    Vom Jeep kam kein Laut mehr. Die Soldaten Budumbas schienen sich zu beraten. Ein junger ›Leutnant‹ war unschlüssig, wie er sich verhalten sollte. Bei den Geistern weiß man nie, ob sie morgen noch so gut gelaunt sind wie heute. Am besten ist es, zu gehorchen. Wenn Budumba und Malanga zusammentrafen, würde es sich ja zeigen, wer der Stärkere ist, wer den größten Zauber in sich

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