In den Klauen des Löwen
noch etwas, aber sie stand, mit leicht verzerrtem Gesicht und aufeinandergebissenen Zähnen. Thorwaldsen faßte sie unter.
»Wollen wir?« fragte er.
»Versuchen wir es.« Corinna machte den ersten Schritt. Thorwaldsen trug sie fast die ersten Meter, ehe sie richtig fest auftrat, ein Zucken in der Wunde spürte, aber tapfer weiterging. Es war noch ein langsames Humpeln, aber Thorwaldsen klatschte in die Hände wie nach einer großen artistischen Leistung.
»Na also!« rief er. »Es geht ja! Es macht sich! Bis zum nächsten Foxtrott ist's nicht mehr weit.«
Erschöpft humpelte Corinna die paar Meter wieder zurück zum Wagen und setzte sich auf den Vordersitz. Der Schweiß lief ihr über das Gesicht und die Brust in die vorne offene Bluse. »Ich bin doch noch verdammt schwach«, sagte sie dabei.
»Das blasen wir auch gleich weg!« Thorwaldsen packte vom Hintersitz die zusammenklappbare ›Küche‹ auf den Boden. »Ich mache Ihnen eine Rindfleischsuppe, vor der der Chefkoch des Hilton gelb vor Neid würde. Sie werden sehen, wie das wirkt. Ich kenne das noch von meiner Mutter. Immer, wenn ich eine Krankheit überstanden hatte, gab es eine kräftige Rindfleischsuppe. Können Sie sich vorstellen, daß ich als Kind ein schwächlicher Knabe war?«
»Schwer.« Corinna lachte hell.
»Ich war immer ein zartes Büblein, bis zum fünfzehnten Lebensjahr. Da geschah ein Wunder: Ich wurde groß, breit und stark. Irgendein Kontakt in mir muß da gezündet haben. Meine Mutter behauptete aber, das seien nur die Rindfleischsuppen.«
Thorwaldsen hatte die Küche ausgepackt, der Gaskocher zischte. Corinna humpelte zu der Vorratskiste und suchte eine Büchse mit eingekochtem Fleisch. Der Schwächeanfall war vorüber. Nun gingen die nächsten Schritte schon viel müheloser. Plötzlich blieb sie stehen und sah sich zu Thorwaldsen um, der pfeifend Wasser aus dem Kanister in den Topf plätschern ließ. Zwischen den Büchsen hatte Corinna ein abgerissenes Stück eines Zettels gefunden.
»Führen Sie Tagebuch, Hendrik?« fragte sie.
»Nein! Sehe ich so aus?« rief Thorwaldsen vom Kocher her. »Wozu auch? In meinem großen Kopf ist immer Platz genug. Warum fragen Sie?«
»Mir fiel es nur so ein.« Sie steckte das Stückchen Papier vorne in ihre Bluse und klemmte es unter den Büstenhalter.
»Tagebücher sind etwas für junge Mädchen und romantische Männer. Oder für Politiker, die sich später einmal mit diesen Notizen rechtfertigen wollen.«
»Da könnten Sie recht haben, Hendrik.« Corinna warf ihm die Büchse mit Fleisch zu, ging dann hinter den Landrover und holte den Fetzen Papier wieder aus dem BH. Eine flüchtige Hand hatte die wenigen Worte geschrieben und den Zettel dann zerrissen. Wie das Stückchen zu den Büchsen kam, wußte niemand.
Ich liebe Sie … stand auf dem Fetzen. Mehr nicht.
Malangas Handschrift.
In diesem Augenblick glaubte Corinna zu wissen, warum Malanga wortlos in der Weite der Savanne verschwunden war.
Er war vor seinem Herzen geflüchtet.
Nachdenklich steckte Corinna den Zettel wieder unter ihre Bluse.
Vielleicht war das die beste Lösung, dachte sie. Malanga war ein netter Mensch, er hätte ein guter Freund werden können. Aber mehr auch nicht. Er hat es sicherlich geahnt und ist gegangen, bevor ich ihm weh tun mußte.
»Die Suppe kocht!« rief Thorwaldsen von der ›Küche‹ her. »Gnädiges Fräulein, es wird gleich serviert. Bitte Platz zu nehmen!«
Corinna strich sich die Haare aus der Stirn und humpelte zu den aufgestellten Klappstühlen. So rauh und ungeschliffen Thorwaldsen auch war … jetzt war sie froh, mit ihm allein zu sein und nicht mit Malanga.
Einen Thorwaldsen konnte man abwehren, einen Malanga nicht.
Sie spürte das ganz deutlich an dem Rauschen ihres Blutes in den Schläfen.
Wenn Thorwaldsen gedacht hatte, nach der geradezu unheimlich schnell fortschreitenden Genesung Corinnas ebenso schnell in Sicherheit zu kommen, so hatte er viele Faktoren nicht einkalkuliert.
Nicht die Bwambas stellten sich ihm in den Weg, sondern der Landrover machte plötzlich Sorgen.
Es begann mit einer ganz gewöhnlichen Reifenpanne.
Thorwaldsen fluchte laut, als aus dem linken Vorderreifen die Luft entwich und er auf der Felge durch das Gras hoppelte. »Es hat keinen Sinn, den Ersatzreifen zu montieren«, sagte er nachdenklich, als habe er eine dunkle Ahnung von den kommenden Ereignissen. »Wenn wir ihn einmal dringend brauchen, stehen wir dann herum.«
Er begann also, bei 40 Grad Hitze den
Weitere Kostenlose Bücher