In den Klauen des Löwen
aber der Hieb hatte seine Schulter bis zu den Rippen aufgespalten. Aus der Arterie schoß in hohem Bogen das Blut … er schwankte noch zwei Schritte, ließ dann die Machete fallen und fiel nach vorn auf das Gesicht. Dort starb er, aufgehackt wie ein Schwein, in einem See von Blut.
Malanga stand noch, als Thorwaldsen fiel. Sein linker Arm war abgeschlagen, auch aus ihm spritzte das Blut, aber er hatte noch die Kraft, hinüberzusehen zu dem Jeep. Dort lag Corinna ohnmächtig in den Armen Roberts, der ungläubig auf die blutigen Wesen starrte, die einmal Menschen gewesen waren.
Malanga ließ die Machete fallen und drückte die Hand flach auf den linken Armstumpf, als könne er damit die Blutung stillen. Er versuchte einen Schritt, aber die Beine knickten ihm weg, er fiel in die Knie, und unaufhaltsam spritzte das Blut und damit die Kraft aus ihm heraus.
Was dann geschah, mußten die zornigen Götter veranlaßt haben … so erzählten es sich später die Bantus.
Aus dem hohen Gras neben dem Fluß trat ein Löwe. Es war die Zeit der Abenddämmerung, er war zur Tränke gegangen, und auf dem Weg dorthin hatte er Menschen gerochen, was ihm unangenehm war. Aber dann wehte etwas zu ihm, was ihn reizte, was ihn zittern ließ, was ihn in all seiner Wildheit aufrief: Blut!
Nun stand er da, roch das Blut, sah das Blut, sah ein Wesen, das sich wand und zuckte, das wegkriechen wollte … und er senkte zuerst den Kopf, duckte dann seinen braunen Körper, schlug mit dem quastigen Schweif den trockenen Boden, fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und die Lefzen, hieb die Krallen in die Erde und atmete wieder den Geruch ein, der der schönste auf Erden für einen Löwen ist.
Blut –
Ganz kurz, wie ein lauter Atem, brüllte er auf. Malanga fuhr auf den Knien herum, die Hand noch auf seinen Armstumpf gepreßt. Auge in Auge mit dem Löwen war er, die Machete lag ungreifbar von ihm entfernt, und das Blut spritzte zwischen seinen Fingern hindurch in Richtung des lauernden, geduckten Raubtieres.
»Simba«, sagte Malanga mit trockener Kehle. »O Simba … Lala salama … (Gute Nacht).«
Mit weit offenen Augen starrte Malanga den Löwen an, als dieser aus seiner geduckten Stellung herausschnellte und sich auf ihn warf. Die Pranken hieben Malanga in die Brust, er fiel nach rückwärts, und das letzte, was er sah, hörte und roch, war der weit aufgerissene, hechelnde, nach Verwesung riechende Rachen des Löwen. Den Biß, mit dem seine Kehle durchrissen wurde, spürte er schon nicht mehr … sein Herz versagte, bevor er von den Klauen des Löwen zerfetzt wurde.
Man begrub Thorwaldsen und Malanga nebeneinander am Ufer des Flusses. Robert Sander zimmerte aus Palmenholz ein großes Kreuz und steckte es auf den Hügel.
Am Morgen des nächsten Tages erreichten sie die Vortruppen der Regierungssoldaten. Ein Hubschrauber flog sie sofort nach Fort Portal, wo sie Mike Harris trafen, der unter Arrest stand, weil er McCallen grob beleidigt hatte. Wie Ingeborg Kraemer hatte auch Harris die Auskunft erhalten, man könne wegen einer Familie Sander nicht den ganzen Kriegsplan ändern. Darauf hatte Mike den alten Oberst McCallen einen Hundsfott genannt, den man in Old England früher an den Mast gebunden hätte, um ihn zehn Tage lang zu bepinkeln! McCallen, ein Ästhet trotz allem, nahm das übel und stellte Harris unter Arrest.
Die Bwambas erreichten die Mondberge nie. Vor dem Riegel der Fallschirmjäger wichen sie zurück. Als die Regierungstruppen stürmten, ergaben sie sich. Es fehlte Malanga, der große Arzt, es fehlte auch Budumba, der große Zauberer. Kirugu, der alte Mann auf dem Thron, ließ sich weinend abtransportieren in das Gefängnis von Fort Portal. Fünftausend Bwambas zogen später zurück in ihre alten Gebiete, in die Savanne, an den See, an den Rand der Sümpfe. Und oft standen sie, die näher an den Bergen lebten, vor ihren Hütten und sahen hinüber zu den Mondbergen, wo das Paradies liegen sollte unter den Augen der Götter.
Kam ein neuer Malanga wieder?
Wann würde er kommen, das Volk in das Glück führen?
Warum hatten die Götter ihn bestraft?
Die Welt erfuhr nichts von diesem Krieg. Nur eine kurze Meldung – das war alles: »Im Westen Ugandas, so wird gemeldet, sind einige Unruhen unter einem Bantustamm ausgebrochen. Beamten der Regierung gelang es, schnell wieder Frieden herzustellen. Die Bantus wollten bessere Felder, was ihnen zugesichert wurde.«
Weiter nichts. In Europa erfuhr es überhaupt niemand.
Robert
Weitere Kostenlose Bücher