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In den Klauen des Tigers

In den Klauen des Tigers

Titel: In den Klauen des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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seiner Frau.
    Sie saßen im Kaminzimmer, tranken
japanischen Sencha-Tee aus zierlichen Tässchen und ärgerten sich über den Hausarrest,
den die Polizei ihnen verordnet hatte.
    Eduard war ein Endfünfziger mit viel
Geld, das er aus drei Fabriken zog, die ihm sein seliger und tüchtiger Vater
vererbt hatte. Ursprünglich waren es fünf Fabriken gewesen. Zwei hatte Edu, wie
er sich von Freunden gern anreden ließ, zu stark gemolken — finanziell. Sie
waren Pleite gegangen.
    „Ich weiß nicht, ob es schlaue und
dumme Tiger gibt“, erwiderte Susanne, seine Frau. „Für mich sind alle gleich.
Am liebsten mag ich sie als Mäntel.“
    Susanne, eine kühle Blondine mit
berechnenden Augen, war 22 Jahre jünger als Edu. Um diesen Unterschied nicht zu
augenfällig zu machen, hielt er Diät, mühte sich jeden Morgen auf dem
Hometrainer ( Standfahrrad) ab und färbte sich die grauen Schläfen. Von
Arbeit hielt er nicht viel. Vom Geldausgeben um so mehr. Und Susanne half ihm
dabei. Außerdem hatten sie die Jagdleidenschaft für sich entdeckt.
    Susanne büffelte zur Zeit für die
Jägerprüfung. Edu hatte sie schon vor Jahren abgelegt und sich eine Menge
Trophäen in Wald und Flur zusammengeschossen. Damit freilich konnte man vor
Freunden und Bekannten kaum noch Eindruck machen. Deshalb reisten die beiden
regelmäßig in tropische Jagdgründe, und Edu ballerte auf alles, was zum Töten
freigegeben war. Er hatte afrikanisches Wild erlegt, sogar einen Elefanten.
Immer vom sicheren Ansitz aus — was ihn aber nicht hinderte, für jede Trophäe
die abenteuerlichste Geschichte zu erfinden, in der es nur einen kaltblütigen
Helden gab: ihn.
    Sogar seiner Frau servierte er
großmäuliges Jägerlatein. Wobei er sich freilich auf Ereignisse beschränken
mußte, die sie nicht miterlebt hatte. Um ihn bei Laune zu halten, tat sie so,
als glaube sie alles.
    Mittlerweile konnte Edu kaum noch
unterscheiden: zwischen der Wirklichkeit und dem, was seine Phantasie daraus
machte.
    „Raubtiere sind unterschiedlich“, sagte
er jetzt. „Es gibt mutige und feige, blöde und gescheite Tiger. Keine Ahnung,
wie dieser Napur ist. Würde ihn gern erlegen. Ein Tiger fehlt mir noch in
meiner Sammlung. Was meinst du, soll ich den Polizeipräsidenten anrufen und
mich ihm als Großwildjäger zur Verfügung stellen?“
    „Laß es lieber. Sonst erzählt
Weber-Brinkmann hinter deinem Rücken, du tätest das nur, um in die Zeitung zu
kommen.“
    Tilo und Rosemarie Weber-Brinkmann
gehörten zu ihren liebsten Freunden, was aber üble Nachrede — auf
Gegenseitigkeit — nicht ausschloß.
    Edu schüttelte mißbilligend den Kopf,
was den liebsten Freunden galt.
    Susanne nippte an ihrem Tee. Sie las in
einem Mode-Journal, das 12 Mark kostete, aber fast nur Anzeigen enthielt. Sie
las jede Anzeige und überlegte, was sie kaufen mußte, weil es ihre Freundinnen
vielleicht schon hatten oder auch nicht, so daß es höchste Zeit wurde, sich
darum zu bemühen.
    Edu stand auf, trat zum Kamin und nahm
die schwere Großwildbüchse vom Haken. Das Gewehr war doppelläufig. Mit dem
Kaliber konnte man eine Hausmauer durchlöchern. Im Gewehrschrank hatte die
Waffe ihren angestammten Platz. Aber neuerdings hing sie hier. Darauf hatte
Susanne gedrungen. Denn es machte sich so dekorativ und lenkte die Neugier der
Gäste — und Gäste hatten sie häufig — gleich auf das richtige Thema.
    „Werde die Donnerbüchse mal laden“,
sagte er. „Vielleicht ist Napur doch ein bißchen bescheuert. Stell dir vor, er
steht plötzlich im Garten.“ Er lachte. „Dann könnte der Kürschner schon Maß
nehmen, und du kriegtest deinen Tigerfellmantel zum Geburtstag. Nein, eher!“
    Er ging nach nebenan, kam mit zwei
Patronen zurück und lud das Gewehr.
    Susanne las das Inserat einer
Schönheitsfarm, von der sie noch nicht gehört hatte.
    Als die Terrassentür aufgestoßen wurde,
hielt Edu das Gewehr in der Hand. Aber die Mündung des Doppellaufs wies zu
Boden.
    „Hände hoch!“ zischte Fensel durch die
Zähne. „Nein!“ verbesserte er sich sofort. „Laß die Knarre fallen, Mann!“
    Seine Pistole war auf Edu gerichtet.

    Hardtke, der sich hinter seinem
Komplicen vorbei drängte, zielte auf Susanne.
    Ihr Mund klaffte auf. Schreck trat in
ihre blaßblauen Augen.
    Polternd schlug das Jagdgewehr auf den
Parkettboden.
    Edu, um Zentimeter geschrumpft, reckte
die Hände zum Himmel.
    „Was... was...“, stammelte er, „ist...
das?“
    „Das ist ein Überfall!“ zischte Fensel
ihn an. „Ihr

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