In den Klauen des Tigers
Nicht jeder hätte die riskanten Landemanöver auf dem unebenen
Boden der Wald wiesen gewagt.
Lächelnd beobachtete Tarzan die
rührenden Familienszenen. Mütter und Väter schlossen ihre Töchter in die Arme.
Sie waren dem Tiger entkommen, dem Leben wieder geschenkt.
Ein heller Wagen preschte über die
Straße heran, eine Staubfahne hinter sich.
Glockner schirmte die Augen gegen das
Sonnenlicht ab. „Das kann doch nicht wahr sein“> sagte er. „Die Mami kommt.
Aber so ist sie noch nie gefahren.“
Der Wagen hielt vor ihnen, während Gaby
von einem Bein aufs andere tanzte.
Frau Glockner hatte Freudentränen in
den Augen. Sie ließ ihr Töchterchen nicht mehr los. Oskar schlug Purzelbäume
vor Freude. Dann kniff Margot Glockner ihrem Mann in die Wange.
„Und mich hast du nicht verständigt!
Ich weiß. Damit ich mich nicht aufrege, weil ich ohnehin nichts ändern kann.
Das ist lieb gemeint, aber bin ich denn aus Zucker? Erst eine Nachbarin, die
die Meldung im Radio hörte, hat’s mir gesagt. Als ich dann den
Polizeipräsidenten anrief, hörte ich, daß ihr beide im Wald seid.“
Lächelnd strich sie Tarzan über die
braunen Locken. „Dich hat nichts und niemand zurückhalten können, nicht wahr? Ich
weiß, was dich bewegt hat. Du wärst mit bloßen Händen auf den Tiger
losgegangen, um Gaby zu retten.“
Sie strahlte ihn an. Gaby strahlte ihn
an. Der Kommissar schmunzelte. Sogar Oskar schien für einen Moment nur seinen
Freund anzuhimmeln. Tarzan spürte, wie er vor Verlegenheit rot wurde.
„Ihr Mann, Frau Glockner, hat mir... äh...
erlaubt, daß ich ihn begleite.“
„Erlaubt?“ sagte Glockner. „Er hat mich
gezwungen. Entweder ich nähme ihn mit, oder er führe mit dem Rad in den Wald,
um nach Gaby zu suchen. So war’s!“ Er lachte. „Rückblickend muß ich sagen: Ich
bin sehr froh, Tarzan, daß du dabei warst. Einzelheiten, Margot, erfährst du
gleich. Wie geht’s deinem Rücken, Tarzan?“
„Ist schon vergessen.“
Jetzt stürzten Reporter herbei. Der
Kommissar berichtete. Tarzan wurde interviewt. Und unentwegt klickten die
Kameras. Bilder wurden geschossen von Tarzan. Von Tarzan und dem Kommissar. Vom
Kommissar. Von Glockner, Gaby und Tarzan. Von Tarzan und Gaby. Und schließlich
eine Art Familienfoto mit allen vieren. Natürlich war auch Oskar überall mit
drauf. Und in einer Zeitung war später zu lesen, sein wütendes Gekläff hätte
den Tiger davon abgehalten, den Baum zu erklettern, auf den Gaby und Kathie
sich geflüchtet hatten.
Daß Tarzan wegen des Rehpinschers in
lebensbedrohliche Lage geraten war, wurde aufmerksam vermerkt. Und die nächste
Fotoserie entstand: mit Tarzan und Man Eater. Wobei der Hundezwerg sich wie ein
Star aus dem Schaugeschäft verhielt und Tarzan immer wieder übers Gesicht
leckte.
Irgendwann war auch dieser Rummel
vorbei.
Da der Glocknersche Dienstwagen sich
noch bei den Singenden Felsen befand, übernahm Gabys Mutter die Fuhre. Zunächst
brachte sie ihren Mann und Tarzan zum Polizeipräsidium. Dann fuhr sie mit Gaby
und Oskar nach Hause.
Für die Polizei war noch nichts
ausgestanden. Zwar waren Gaby und die anderen Mädchen gerettet, aber die Gefahr
für die Allgemeinheit bestand nach wie vor. Napur befand sich in Freiheit. Wie
er sich verhielt, davon hatte Tarzan eine Kostprobe erhalten. Man wußte jetzt:
Der Tiger war gereizt, verstört, verunsichert durch die neue Situation. Er
hatte sich auf seine Instinkte besonnen. Seine Angriffslust war erwacht.
Auf dem Hof des Präsidiums fand Tarzan
sein Rad vor. Ein Kollege des Kommissars berichtete, Karl und Klößchen wären
hier gewesen.
Er rief bei Sauerlichs an. Von Amalie
Dessart, der Köchin, hörte er: Nein, niemand hier. Aber sie wollte gleich
wissen, ob die Jungs denn nun zum Abendessen nach Hause kämen.
„Vielleicht. Nein. Ich glaube, ja“,
sagte Tarzan — und kam sich recht blöd vor. „Entschuldigung, Frau Dessart, aber
ich weiß es wirklich nicht. Bis jetzt stand alles köpf. Das erzählen wir Ihnen
noch. Sie werden staunen. Bestimmt bringen wir großen Hunger mit. Bis nachher!“
Wo sind meine Freunde? überlegte er.
Sie wissen, daß der Kommissar und ich in den Wald wollten. Vielleicht sind sie
beim Parkplatz an der Forststraße gewesen.
Er fragte den Kommissar, ob eine
Möglichkeit bestünde, mit dem Polizeiwachtmeister, der dort die Absperrung
leitete, Kontakt aufzunehmen. Die gab es, natürlich. Glockner übernahm das. Per
Sprechfunk ließ er sich mit Pongartz verbinden.
Der
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