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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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blickte auf seine Unterarme. Der Stoff der Chamäleonkombination hatte sich aufgelöst, und die Haut darunter überzog sich mit einer glitzernden und gleißenden Schicht. Kristalle, dachte Clay müde. Ich verwandele mich in einen Kristall!
    Er verdoppelte seine Anstrengungen, doch die Kraft floß aus ihm heraus, ein dahinpulsierendes Rinnsal, ein sickernder Strom, den er nicht eindämmen konnte. Er blickte zu den Stasissärgen empor, und die Konturen der darin liegenden Toten verschwammen vor seinen Augen. Alles löste sich auf. Seine Gedanken zerfaserten und versanken in einem endlosen Schlund aus Dunkelheit.

6. Kapitel
     
     
    Archetypen geisterten durch die Alpträume, die einander und Clay gemeinsam jagten, auf das Ursprüngliche zurückgeführte Zerrbilder aus seinem sozialen Umfeld, seinen jüngsten Erlebnissen. Zu Schreckgespenstern entstellte Marionetten seiner drei Wahlfrauen, Shereens, Silverstones, Marita Ribeaus, Akim Halberstadts und anderer Personen aus Vergangenheit und Gegenwart tummelten sich in verschwommenen Ausschnitten einer krawallreichen Pekingoper seiner Verhöhnung und Verspottung. Aber seine Anfälligkeit war dahin. Irgendwie war er jetzt über den Punkt hinaus, an dem man ihn noch kränken konnte.
    Das aufwendige Schauspiel, das seinen Stoff aus den unbewußten Schichten seiner Psyche bezog, kaschierte den eigentlichen Anlaß der regen Traumtätigkeit nur unzulänglich: überall blickte durch, daß im Mittelpunkt der Schock stand, den die Einsicht bereitete, Shereen war tot. Bei vollem Bewußtsein hätte er darüber wahrscheinlich den Verstand verloren.
    Als er endlich erwachte, hatte er sich damit abgefunden. Er lag in einer Klarplast-Wanne auf einem Ergpolster und schwamm bis zur Nase in einer grauen Emulsion. Grünliche Streifen, die anscheinend von seinem Körper ausgingen, als ob ihm der scheußlichste Eiter entströmte, durchzogen die kühle Flüssigkeit. Clays Gemüt war von Ruhe und dumpfer Zerknirschung erfüllt.
    Die funktionalen Umrisse medizinischer Technik kennzeichneten das Zimmer, in dem er sich befand. Vollkommene Stille herrschte. Clay war allein mit der Schuldenlast seines Versagens.
    »Marita ...?« röchelte er, und leises Gluckern der Emulsion begleitete seine ersten, sehr behutsamen Bewegungen. Sofort ärgerte er sich, weil er als erstes den Namen dieser verdammten Frau ausgesprochen hatte; doch dann sah er ein, daß er sich lediglich natürlich verhielt: mit ihr hatte er seit seiner Ankunft auf der Venus den häufigsten Umgang gehabt. Man konnte ihr nachsagen, was man wollte, aber sie war hier sein Halt, seine Stütze, ohne die er vollständig handlungsunfähig gewesen wäre.
    An seinen Schläfen und mehreren Stellen seines Schädels waren Elektroden befestigt, und über seinen Schultern kräuselte sich ein unübersichtliches Gewirr von Schläuchen und Kabeln. Mühsam drehte Clay den Hals und streckte die Arme nach den Rändern der Wanne aus, doch als seine Hände sie berührten, stellte er fest, daß er noch viel zu schwach war, um sich aufrichten zu können. Er stöhnte und ließ sich zusammensinken. Nicht einmal der Gedanke an Rache verlieh ihm genug Antriebskraft, um den Versuch zu wiederholen.
    Offenbar war sein Erwachen außerhalb des Zimmers registriert worden. Mit kaum hörbarem Gleitgeräusch öffnete sich die Schiebetür. Eine Frau in einem lindgrünen Overall trat ein; an der linken Brustseite ließ sich ein Symbol in Leuchtpink erkennen, das an einen stark stilisierten Äskulapstab erinnerte. »Comptroller«, sagte sie ausdruckslos und nickte ihm zu. Marita Ribeau folgte ihr dichtauf.
    »Wo bin ich?« erkundigte Clay sich heiser. »In einer Klinik?«
    »In der Klinik ›Alle Macht dem Inneren Licht‹, Lokation Anthropolis«, gab die Frau im Overall Auskunft, während sie ans Kopfende der Klarplast-Wanne ging und Instrumente ablas. Sie drückte Tasten, und das unterschwellige Gesumme eines Monitors setzte ein.
    »Spezialisiert auf psychogene Therapien, Immunisierung und Gerontoprophylaxe«, ergänzte Marita Ribeau. Ihr Tonfall zeugte vornehmlich von Überdruß. Nach dem ersten flüchtigen Blick vermied sie es nun ganz, ihn anzusehen. Aber vermutlich hatte das nichts mit der widerlichen Jauche zu tun, in der er ruhte.
    Die Medizinerin unterzog ihn einer gründlichen Untersuchung, die längere Zeit beanspruchte, und unterdessen ließ Clay sich von ihr erklären, was das Ferroplasma mit ihm angestellt hatte. Dabei hielt er die Augen geschlossen, um nicht

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