In der Box: Wie CrossFit® das Training revolutionierte und mir einen völlig neuen Körper verlieh (German Edition)
Starrett, der Besitzer der Einrichtung und mein heutiger Trainer, hat schon einmal damit gedroht, mir in den Arsch zu treten, und zwar während der ersten Phase der Qualifizierung für die CrossFit Games. Er dachte, ich würde mit meinen Kräften haushalten und mich nicht genügend anstrengen – eine Einstellung, die er zutiefst verachtet (obwohl das überhaupt nicht zutraf). Schlussendlich schaffte ich die erste Runde mit durchaus passablen Ergebnissen, die mich den Spielen einen Schritt näher brachten. Jetzt, heute, nahm ich an der zweiten Ausscheidungsrunde der Open 2012 teil.
Die Games sind eine dreitägige Veranstaltung, die aus extrem anspruchsvollen Wettbewerben besteht, in denen die Sportlichkeit und körperliche Fitness der Teilnehmer auf eine harte Probe gestellt werden. Sie basieren auf einem Trainings- und Fitnesskonzept namens CrossFit, das sich immer stärker ausbreitet und mittlerweile in über 4000 Studios weltweit praktiziert wird (Tendenz steigend). Die besten CrossFit-Jünger, die bei den CrossFit Open sowie verschiedenen Regionalwettbewerben ermittelt werden, qualifizieren sich für die drei Tage währenden CrossFit Games. Ich nahm zum ersten Mal daran teil und befand mich gerade in der zweiten Woche eines fünfwöchigen Turniers, zusammen mit Tausenden anderen CrossFit-Sportlern, die aus dem ganzen Land herbeigekommen waren und sich derselben Prüfung unterzogen wie ich, als mich der SFCF-Mitinhaber und Cheftrainer anblaffte.
»Noch 20 Sekunden.«
Ich musste mich zusammenreißen. Tatsächlich versuchte ich keineswegs, meine Kräfte einzuteilen. Ich wollte nur die Schmach abwenden, die mir unvermeidlich bevorzustehen schien. Angesichts meiner praktisch nicht vorhandenen Erfahrung im Reißen hätte ich nämlich genauso gut versuchen können, statt der 61 kg einen Kleinwagen zu stemmen. Ich bestückte die Hantelstange jetzt aber schneller, weil ich gewiss nicht von einem 105 kg schweren ehemaligen Profi-Kanuten, der mindestens doppelt so stark war wie ich, in den Arsch getreten werden wollte.
Dieses Workout des Wettkampfs lief folgendermaßen ab: Ich hatte zehn Minuten Zeit, um möglichst viele Wiederholungen zu schaffen, und zwar in der Reihenfolge:
34 kg – 30 Mal
61 kg – 30 Mal
75 kg – 30 Mal
95 kg – so oft wie möglich
Die 34 kg hatte ich problemlos geschafft, doch ich wusste, dass mir die 61 kg Probleme bereiten würden. Im Laufe dieses Tages absolvierte der Sieger der CrossFit Games 2011, Rich Froning Jr., insgesamt 98 Wiederholungen, das heißt, er stemmte die 34, 61 und 75 kg spielend leicht und wuchtete die 95 kg immerhin stolze acht Mal hoch, bevor seine zehn Minuten verstrichen waren. Er war der einzige Teilnehmer, der mehr als 90 Wiederholungen schaffte. Als ich das Wettkampf-Programm zum ersten Mal sah, wusste ich, dass das Reißen einer 34-kg-Hantel ein Klacks sein würde. Allerdings lag meine Bestleistung im Reißen damals bei 52 kg, und auch das war mir bis dahin nur einmal gelungen und auch kein schöner Anblick gewesen. Als es mir nach einer halben Stunde vergeblicher Mühe endlich gelungen war, die 52 kg über den Kopf zu stemmen, war ich regelrecht euphorisch. Und voller Ehrfurcht vor jenen, denen es wie Froning gelang, diese Übung leicht aussehen zu lassen. Jetzt war die Hantel 9 kg schwerer.
In der ersten Woche der CrossFit Open gab es einen Test, bei dem mit einer Stoppuhr gemessen wurde, wie viele Burpees man schaffte. Man beginnt im Stehen, springt in die Liegestütz-Position, zieht die Knie zur Brust und schließt mit einem Strecksprung ab. Es ist eine klassische Turnübung, die einfach auszuführen ist, aber nach 25 Wiederholungen hat man das Gefühl, man hätte einen Herzschrittmacher eingesetzt bekommen, der plötzlich außer Rand und Band gerät. Das 12.1-Workout, bei dem man versucht, in sieben Minuten möglichst viele Burpees zu absolvieren, war ein Test, der der Lunge alles abverlangte, aber wie geschaffen war für ehemalige Wettkampfläufer wie mich. Ich schaffte 103 Stück, woraufhin ich benommen umhertaumelte wie ein angeschossenes Rebhuhn. Das Reißen aber war eine ganz andere Nummer – es passte einfach nicht zum Körperbau und den Bewegungsmustern eines ehemaligen Marathonläufers und Ironman-Finishers, der die 40 bereits überschritten hatte.
Als ich also den Schweiß von meinen schwieligen Händen schüttelte, die 1,72 Meter lange Stange an den geriffelten, schwarz eloxierten Griffen packte und in die Hocke ging, um die 61 kg zu reißen,
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