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In der Brandung

In der Brandung

Titel: In der Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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habe an vielen Wettbewerben teilgenommen und oft gewonnen.«
    »Was für Wettbewerbe?«
    »Kennen Sie sich aus?«
    »Ein wenig. Ich bin Carabiniere und hatte immer viel mit Hunden zu tun.«
    »Oh, ich hatte viele Freunde unter den Hundestaffeln der Carabinieri. Ich habe alle aus den Augen verloren, wer weiß, ob sie überhaupt noch leben. Ich trainierte meine Hunde in den Disziplinen Vielseitigkeit und Verteidigung. Mein letzter Wettbewerb liegt etwa zwanzig Jahre zurück.«
    Das war ein neutraler Satz, aber er wirkte auf einmal wehmütig. Er sah in die Ferne, ohne das, wonach er Ausschau hielt, zu finden.
    »Lässt er sich streicheln?«, fragte Roberto nach einer Weile.
    »Wenn ich es erlaube«, meinte der Mann, mit deutlich wahrnehmbarem Stolz in der Stimme. Dann wandte er sich an den Hund: »Es geht in Ordnung, Chuck, das ist ein Freund.«
    Der Hund wedelte gelassen mit dem Schwanz und ging zu Roberto. Der streichelte ihm den Kopf und kraulte ihn dann hinter den Ohren.
    »Darf ich Sie etwas fragen?«, sagte der Mann.
    »Natürlich.«
    »Warum haben Sie in Straßenkleidung Liegestütze gemacht?«
    »Das wirkte seltsam, nicht wahr?«
    »Ehrlich gesagt, ja …«
    Roberto zuckte die Achseln.
    »Ich habe eine schwere Zeit hinter mir. Es gab so etwas wie ein Erdbeben, und jetzt gibt es immer noch Nachbeben.«
    Der alte Mann sah ihn neugierig an und nickte dann so, als habe er verstanden, aber vielleicht – dachte Roberto – wollte er nur nett sein.
    »Gut, ich muss jetzt los. Wirklich ein schönes Tier.«
    »Wenn ich so alt wäre wie Sie, würde ich keine Zeit verlieren. Von den Minuten, die wir vergeuden, kommt keine einzige mehr zurück. Viel Glück.«
    Roberto grüßte, und der alte Mann ging weiter, der Hund immer vorbildlich bei Fuß. Wie ein Soldat, der stolz auf seine Disziplin ist. Roberto hatte den Impuls, dem Mann zu folgen, ihn aufzuhalten und zu fragen, wie man es anstellte, keine einzige Minute zu vergeuden. Natürlich tat er das nicht. Er blieb stehen und sah zu, wie der andere sich entfernte, und dachte, dass er ihn wie die meisten Menschen, denen er in seinem Leben begegnet war, nie wiedersehen würde.
    * * *
    Um Viertel vor fünf war er da. Er ging in die Bar gegenüber der Praxis und bestellte einen frischen Orangensaft, ohne das Haus aus den Augen zu lassen. Er hatte gerade die Bar verlassen und die Straße überquert, als das Tor aufging.
    »Oh, wir sind ja richtig verabredet«, sagte sie lächelnd.
    Roberto lächelte zurück und dachte mit einem leichten Anfall von Panik, dass er nicht wusste, was er sagen sollte.
    »Sieht so aus.«
    »Mir fiel auf, dass wir uns gar nicht vorgestellt haben. Ich heiße Emma …«
    Roberto gab ihr die Hand und nannte seinen Namen.
    »Ich kenne Ihren Namen. Vielleicht war es nicht richtig, aber ich habe mir ein paar von Ihren Filmen angesehen. Soweit ich das beurteilen kann, sind Sie richtig gut.«
    Er sprach schnell, so als habe er Angst, nicht alles unterzubringen, was er sagen wollte. Sie schien unbeeindruckt von dem Kompliment, aber auch nicht ärgerlich, dass er in ihre Welt eingedrungen war.
    »Man könnte höchstens sagen, dass ich gut war . Ja, ich war nicht schlecht, aber das war in meinem vorherigen Leben. Ich bin keine Schauspielerin mehr.«
    Roberto hatte Mühe, seine Frage zu unterdrücken. Was machte sie jetzt? Fragen, deren Folgen man nicht absehen konnte, ließ man lieber weg. Diesen Rat hatte ihm einmal ein befreundeter Anwalt gegeben. Die Regel war zwar auf Gerichtsprozesse gemünzt gewesen, aber offensichtlich galt sie auch in vielen anderen Bereichen.
    »Ich habe gesehen, dass Sie auch Theater gespielt haben.«
    Jetzt wirkte sie verwirrt, so als sei das ein heikles oder zumindest völlig unerwartetes Thema.
    »Das kann man dort auch ansehen? Ich meine, diese Videos stehen im Netz? Ich benutze das Internet nie, höchstens für Emails.«
    »Ich habe gesehen, dass Sie Shakespeare gespielt haben.« Roberto ließ nicht locker, aber noch während er die Worte aussprach, kam er sich unbeholfen und töricht vor. Er hatte gesprochen, als gehe er ständig ins Theater und sei ein Shakespeare-Kenner.
    In seinem ganzen Leben hatte er Theaterhäuser höchstens anlässlich von Konzerten betreten und einmal, um zwei Requisiteure zu verhaften, die sich mit Kokainhandel etwas dazuverdienten. Bei jener Gelegenheit – der einzigen seines Lebens – hatte er ein Theaterstück gesehen. Er glaubte sich zu erinnern, dass es etwas von Pirandello war und dass ihn dort in

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