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In der Brandung

In der Brandung

Titel: In der Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Buchhändler, verlangte das Buch, trug es zur Kasse, zahlte und ging wieder. Ohne die anderen Bücher, die sich zu Tausenden in den Regalen, auf den Tischen und dem Boden türmten, auch nur zu ansehen .
    Er sah sich vorsichtig um, als würden die anderen ihn bemerken, die Anwesenheit eines Fremden spüren, es weitersagen, miteinander tuscheln und ihn dabei misstrauisch beäugen.
    Er brauchte ein paar Minuten, um sich zu vergewissern, dass ihn keiner bemerkte. Hier schienen die Menschen sich generell nicht füreinander zu interessieren. Alle bewegten sich zwischen den Büchern und den Stockwerken hin und her, blätterten, wählten, gingen zur Kasse oder lehnten sich an ein Regal, setzten sich auf Sofas und lasen, wie in einer Bibliothek. Der Anblick dieser Buchschnorrer, die kostenlos lasen, gab schließlich den Ausschlag für eine Entwarnung. Wenn sich keiner um sie scherte – und tatsächlich scherte sich keiner um sie, auch nicht die Buchhändler –, dann würde sich auch keiner um ihn scheren.
    Er begann, den Mikrokosmos um sich herum genauer ins Auge zu fassen. Bis zu jenem Moment hatte er nur mehr oder weniger bunte, grob aufgelöste Schemen und herumwandernde Individuen wahrgenommen.
    Es gab eine Gruppe von Männern mit grauen Anzügen und gelockerten Krawatten; einen Jugendlichen, der einen Buchumschlag und ein paar Seiten mit seinem Mobiltelefon fotografierte; eine ältere Dame, die mit sehr viel Sachkenntnis die Krimis inspizierte; zwei Mädchen, die sich sehr intensiv unterhielten und vollkommen desinteressiert an Büchern und überhaupt allem, was nicht mit ihrem Gespräch zu tun hatte, schienen; einen Mann, der aufgrund seines Bartes aussah wie ein Bergfex, sich Geschichtsbücher ansah und von Zeit zu Zeit die Nase hochzog und sich lautstark räusperte.
    Nachdem er sich eine Weile zwischen diesen Gestalten hatte treiben lassen wie in einem Aquarium, fragte Roberto einen Buchhändler nach der Theaterabteilung. Dort wollte er Gesprächsstoff für die Begegnungen mit Emma finden. Die Titel, die er durchging, schienen ihm jedoch ungeeignet. Es waren Komödien und Tragödien. Roberto schlug einen Band von Beckett auf, las eine Seite und nahm ziemlich besorgt wieder Abstand. Dann gab es noch Bücher mit Titeln wie Für ein schamanistisches Theater oder Der leere Raum . Er versuchte, sie ebenfalls durchzublättern, doch auch hier gab er schnell auf.
    Neben den Büchern übers Theater fand er einige Texte übers Schreiben, von denen ihm einer gleich ins Auge fiel. Er hieß: Wie verfasse ich meine Lebensgeschichte .
    Beim Durchblättern bemerkte er, dass ihn jemand beäugte. Es war ein korpulenter Mann in einem dunklen, kastenförmig geschnittenen, weiten Trenchcoat. Er hatte ein Buch in der Hand und einen Rucksack über der Schulter – der winzig aussah bei seinem Umfang – und war, wie viele Dicke, altersmäßig sehr schwer zu schätzen. Nach ein paar Sekunden stellte er das Buch ins Regal und näherte sich Roberto.
    »Darf ich Sie etwas fragen? Vielleicht bin ich indiskret, und dann sagen Sie es mir einfach, ich entschuldige mich, und damit ist die Sache erledigt.«
    »Nur zu.«
    »Sie gehen nicht oft in Buchhandlungen, stimmt’s?«
    Roberto spürte Ärger in sich hochsteigen und wollte ihm schon sagen, dass er tatsächlich indiskret war.
    »Sieht man mir das an?«
    »Ehrlich gesagt, schon.«
    Dann gab er ihm die Hand und stellte sich vor. Er sagte, er sei Journalist. Er müsse einen Artikel über Buchkäufer schreiben. Über Stammkunden und Gelegenheitskäufer. Roberto war ihm gleich als interessantes Studienobjekt aufgefallen.
    »Darf ich Sie fragen, warum Sie in die Buchhandlung gekommen sind?«
    Roberto fand, dass es zu kompliziert war, alles zu erzählen.
    »Ich habe eine Frau kennengelernt, die eine Leidenschaft fürs Theater hat. Ich möchte ihr gern ein Buch schenken, aber ich habe keine Ahnung, welches.«
    Das war gelogen, aber während er diese Antwort erfand, hatte Roberto den Eindruck, dass sie den wahren Grund in sich barg.
    »Kaufen Sie Die Welt ist eine Bühne «, sagte der Mann und reichte Roberto ein Buch mit einem orangefarbenen Umschlag, das auf einem der Tische auslag. »Das ist ein schönes Buch über Shakespeare und seine Zeit, unterhaltsam und zugleich sehr kompetent. Damit machen Sie bestimmt einen guten Eindruck, selbst wenn Ihre Freundin es schon gelesen haben sollte. Dann vielleicht sogar noch mehr.«
    In demselben Augenblick näherte sich den beiden eine nachlässig angezogene

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