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In der Brandung

In der Brandung

Titel: In der Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Schauspielschule war, aber eine leichte Tätigkeit in einer angenehmen Umgebung, bei der man mit interessanten Leuten zu tun hat. Die Bezahlung ist nicht besonders üppig, aber ich habe meine Ansprüche heruntergeschraubt. Und ich brauche kein Geld von meinen Eltern, um für meinen Sohn zu sorgen, den Doktor zu bezahlen und ins Kino oder ins Konzert zu gehen. Ins Theater gehe ich allerdings nicht. Ich glaube, ich könnte es nicht ertragen, im Zuschauerraum zu sitzen anstatt auf der Bühne zu stehen.«
    »War das Theater deine große Leidenschaft?«
    »Ja, das war es. Ich habe viel gespielt, auch die Viola in ›Was ihr wollt‹, aber ehrlich gesagt: Ich war eine mittelmäßige Schauspielerin. Und in meinen Träumen als junges Mädchen hatte ich nicht vorgehabt, eine mittelmäßige Schauspielerin zu werden. Ich habe jahrelang nach Erklärungen für meine Mittelmäßigkeit gesucht und auch welche gefunden. Die allerbeste Erklärung kam mir erst, als ich aufhörte zu spielen, vielmehr, eine ganze Weile danach: Ich hatte einfach nicht genug Talent.«
    In diesem Moment bemerkte Roberto, dass der Kellner humpelte, was ein rhythmisches Klopfen verursachte, dass im Hintergrund Musik lief und dass die Restauranttür unangenehm quietschte, wenn sie auf- und zuging. Es war, als hätte jemand plötzlich den Schalldämpfer weggenommen.
    »Jetzt fragst du dich, warum ich aufgehört habe, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Das erzähle ich dir lieber das nächste Mal. Wenn wir zu schnell machen, tun wir uns womöglich weh.«
    Wehtun. Wehtun. Tun wir uns nicht weh. Tut euch nicht weh, Kinder. Ich habe mir wehgetan, Mama. Das tut weh. Hat Papa dir wehgetan?
    Daddy.
    Weh.
    Weh.
    Worte. Scherben, die verletzen können.
    Roberto sprach langsam und wählte die wenigen, einfachen Wörter seiner Frage mit Sorgfalt. Behutsam, als laufe er auf einem Seil oder habe es mit scharfen, gefährlichen Gegenständen zu tun.
    »In welche Klasse geht dein Sohn?«
    »In die siebte, aber er ist ein Jahr voraus. Im Mai wird er zwölf. Heute heißt es, dass man Kinder lieber länger spielen lassen soll, dass es nicht gut ist, sie zu früh einzuschulen. Aber damals sagten mir alle, dass er so gescheit ist, so reif, dass es ein Jammer wäre, wenn er ein Jahr verlöre. Wenn ich noch einmal zurück könnte, würde ich ihn ganz normal einschulen. Und du? Frau, Kinder, wie sieht es bei dir aus?«
    Wieder das Klopfen des hinkenden Kellners. Viel lauter als vorher. Zu laut. Nur, dass der Kellner nicht einmal in der Nähe war. Kribbeln. Blank liegende Nerven. Zuckungen. Bist du verrückt? Ja, aber im Grunde sind wir das alle. Frau, gewiss nicht. Kind? Nein, gewiss nicht. Gewiss nicht. Gewiss nicht.
    »Nein, ich war nie verheiratet.« Er hörte seine eigene Stimme. Sie kam von weit her und klang ungewöhnlich konkret. Vielleicht war ich nah dran, wollte er schon sagen, um dem etwas hinzuzufügen. Aber dann hatte er doch keine Lust.
    »Du sagtest, du bist Carabiniere.«
    »Ja.«
    »So etwas wie ein Hauptmann oder ein Offizier?«
    »Ich bin Inspektor.«
    »Herrje, wie eindrucksvoll«, sagte sie mit einem ironischen Lächeln. Dasselbe, dachte Roberto, wie in der Kondom-Werbung. »Also, wenn ich an dieses Wort denke, stelle ich mir einen Mann mit einer komischen Uniform vor, einen Mann mit Bauch und Schnurrbart.«
    Er verspürte einen Anflug von Ärger über die komische Uniform . Doch das brachte ihn an den Tisch und zu ihrem Gespräch zurück, was gut war.
    »Der Inspektor, der die Station leitete, wo ich meinen ersten Einsatz hatte, sah ungefähr so aus.«
    »Und was tust du genau, als Carabiniere?«
    Er versuchte, so schnell wie möglich eine Antwort zu konstruieren. Die Wahrheit. Eine komplette Lügengeschichte. Eine austarierte Mischung aus Wahrheit und Lüge. Wie immer.
    »Zurzeit nichts, wenn ich ehrlich bin. Ich bin freigestellt, aus gesundheitlichen Gründen. Ich weiß nicht, wo sie mich einsetzen werden, wenn ich zurückkomme. Wenn sie mich überhaupt zurückwollen.«
    »Weil du verrückt geworden bist?« Dasselbe Lächeln wie zuvor.
    »Weil sie es gemerkt haben. Verrückt war ich auch schon vorher, aber da konnte ich es besser verbergen.« Das hatte er gut hingekriegt.
    »Und bevor sie es bemerkten?«
    Ein paar Sekunden lang spürte Roberto wieder, wie sich die Realitätsebene der Unterhaltung unmerklich verschob. Die Frage – bevor sie es bemerkten? – war zwar scherzhaft formuliert, aber ihr Kern erschien ihm ernst und wichtig. Nein, sie war ernst und

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