In der Brandung
Problem mit der Telefonleitung?«
Er war untersetzt, trug einen engen Trainingsanzug, hatte volle Lippen, wenig Haare und kleine, misstrauische Augen. Den Ausdruck von jemandem, der glaubt, immer zu wissen, wo es langgeht. Die Wohnung bestand aus zwei schäbig möblierten Zimmern. Es roch nach abgestandener Luft, Zigaretten und Schweiß.
»Ja, ich habe angerufen. Dieses verdammte Telefon geht seit heute Morgen nicht mehr.«
Der andere Carabiniere – er hieß Filomeno, ein Name, den man nicht so leicht vergisst – nahm den Apparat in die Hand, wählte, schraubte den Hörer ab, tat so, als untersuche er das Innenleben des Telefons, schraubte die Steckdose auf. Er wartete auf den geeigneten Moment, die Wanze anzubringen, doch der Typ starrte ihn die ganze Zeit an.
»Ich werde doch nicht etwa abgehört?«, fragte der Dealer irgendwann, als die beiden Carabinieri so taten, als führten sie eine technische Kontrolle durch.
Wir würden ja gern, aber wenn du uns nicht aus den Augen lässt, können wir die verdammte Wanze nicht anbringen, dachte Roberto. Im selben Moment hatte er eine Eingebung.
»Das ist schon möglich«, sagte er verschwörerisch.
Er spürte den Blick des anderen Carabiniere, der sich fragte, ob sein Kollege verrückt geworden war.
»Und wie kann man das herausfinden?«
Roberto sah ihn prüfend an, als sei er nicht sicher, ob er ihm trauen könne.
»Eigentlich ist es verboten, aber …«
»Aber?«
»Theoretisch könnten wir das herausfinden. Aber es ist illegal und sehr riskant.«
»Ich könnte euch dafür bezahlen.«
Roberto ließ ein paar Sekunden verstreichen, als wolle er Risiko und Nutzen abwägen.
»Wie viel?«, fragte er den anderen Carabiniere, der mittlerweile verstanden hatte, was gespielt wurde.
»Hundertfünfzigtausend Lire gleich und hundertfünfzig, wenn ihr mir das Ergebnis bringt.«
Roberto schüttelte den Kopf.
»Dreihunderttausend geteilt durch zwei? Und dafür riskieren wir, in den Knast zu kommen? Niemals.«
»Wie viel wollt ihr?«
»Fünfhundert gleich und noch mal fünfhundert nach der Kontrolle.«
Der Dealer sah erst Roberto an, dann Filomeno und wieder Roberto.
»Ihr habt das schon mal getan, stimmt’s? Ihr verdient euch auf diese Weise was dazu«, sagte er schließlich mit der Miene des Kenners, der weiß, dass jeder Mensch käuflich ist. Dann ging er ins Schlafzimmer, um das Geld zu holen. Als er zwei Minuten später zurückkam, war die Wanze angebracht, und die fünfhunderttausend Lire in kleinen Scheinen – ganz eindeutig aus dem Verkauf von Rauschgift – wechselten den Besitzer und wurden später in das Beschlagnahmungsprotokoll aufgenommen. Am Nachmittag kam Roberto noch einmal vorbei und gab ihm die erwünschte Auskunft. Das Telefon funktioniere wieder, und es werde nicht abgehört, er könne ganz ruhig sein.
Er konnte vor allem ganz ruhig mit seinen Kunden sprechen , die zu ihm nach Hause kamen, dachte Roberto, während er mit weiteren fünfhunderttausend in zerknitterten Scheinen abzog.
Der weitere Ablauf der Ermittlungen war absehbar. Zwei Wochen Abhörprotokolle und ein paar Beschattungen reichten aus, um das Dickerchen mit ein paar tausend einzeln abgepackten Pillen in der Tasche zu schnappen, die er für die Diskotheken der Stadt und der weiteren Umgebung vorbereitet hatte.
* * *
»Ich könnte mir diese Geschichten stundenlang anhören. Du hast deine Arbeit geliebt, stimmt’s?«, fragte Emma, als er fertig erzählt hatte.
Mehr oder weniger dasselbe, was der Doktor gefragt hatte. Nur, dass ihn das jetzt nicht mehr erschütterte.
»Ermittlungen können auch ganz schön langweilig sein. Man hört stundenlang Telefonate ab, schreibt Gespräche mit, beschattet jemanden, der den ganzen Tag lang nichts tut, oder sucht Archivmaterial heraus, um die Personalien der Verdächtigen zusammenzustellen. Das war zum Beispiel etwas, was ich gar nicht leiden konnte. Aber dann gibt es immer wieder Momente, in denen man denkt, dass man keinen anderen Job auf der Welt lieber machen würde.«
Und Momente, in denen man sich fragt, ob sich das Ganze überhaupt lohnt, und wie sehr. Dieser Satz zeichnete sich in seinem Kopf ab, doch er sprach ihn nicht aus.
Emma gähnte ein klein wenig, wobei sie sich die Hand vor den Mund hielt.
»Gehen wir schlafen, es ist schon spät«, sagte Roberto.
Sie unterdrückte ein Gähnen.
»Nein, nein, entschuldige. Das war kein Gähnen aus Langeweile. Ich bin einfach ein bisschen müde, aber ich will noch nicht schlafen gehen.
Weitere Kostenlose Bücher