In der Brandung
hatte, fegte mit einer Maschinengewehrsalve die wimmernden Welpen hinweg. Andere nahmen die Überlebenden aufs Korn, die zu entkommen versuchten. Wieder andere reagierten sich an den Tierkadavern ab.
Der zuerst getroffene Hund, der einem Labrador ähnelte, war noch am Leben. Er musste eine zerschossene Hüfte haben, denn er jaulte erbärmlich und versuchte verzweifelt, sich mit den Vorderbeinen aufzurichten.
Roberto näherte sich ihm, wechselte das Magazin und schoss ihm in den Kopf. Blut und Hirnmasse spritzten auf seine Hose, während der Kopf des Tiers noch ein letztes Mal zuckte.
* * *
»Ich schäme mich, als sei das gestern geschehen. Ich konnte dieses Massaker ebenso wenig verhindern wie die Vergewaltigung der drei Mädchen. Aber keiner hat mich gezwungen mitzumachen. Ich hätte auf den Boden schießen können, in die Luft, überhaupt nicht. Ich habe selbst entschieden mitzumachen.«
»Sie haben auf den Labrador geschossen, um seinem Leiden ein Ende zu machen.«
»Ich bin feige und erbärmlich. Ein armseliger Wicht. Es fiel mir so leicht, mit Verbrechern zu arbeiten, weil ich einer von ihnen bin. Ich gehöre dazu, ich …«
»Jetzt reicht es.« Die Stimme des Doktors war wie eine Ohrfeige, schnell und präzise.
Roberto zuckte zusammen, als sei er geschlagen worden. Er senkte das Kinn auf die Brust. Ein paar Sekunden später hob er den Kopf wieder und studierte ohne Grund die Zimmerdecke. Er betrachtete die oberen Regalfächer, über denen ein schmaler Stuckfries die Decke einfasste, und entdeckte dann etwa dreißig Zentimeter darunter einen schmalen Riss im Putz, auf den er sich konzentrierte, als sei dort die Lösung des Ganzen verborgen.
Am Ende kehrte sein Blick zum Doktor zurück, Seine Augen waren rot und feucht. Er zog die Nase hoch, wobei er versuchte, keine Geräusche zu machen. Der Doktor reichte ihm ein Päckchen Taschentücher.
»Das war es aber nicht, worüber Sie heute Nachmittag nicht mit mir sprechen wollten, hab ich recht?«
»Nein, das war es nicht«, sagte Roberto und trocknete sich die Augen.
Giacomo
Heute Morgen bin sehr früh aufgewacht, hatte großen Durst und stand auf, um ein Glas Wasser zu trinken. Das Glas auf meinem Nachttisch hatte ich wie immer im Laufe der Nacht ausgetrunken, ohne es zu merken. Ich trinke im Schlaf, und am nächsten Morgen ist das Glas dann leer, ohne dass ich mich daran erinnern kann, es getrunken zu haben. Als Kind war ich überzeugt, dass ein Geist mein Wasser austrank.
Als ich in die Küche kam, sah ich meine Mutter am offenen Fenster sitzen. Sie hatte mir den Rücken zugewandt und hörte mich nicht kommen. Sie sah hinaus und weinte.
Ich hatte sie schon lange nicht mehr weinen sehen und blieb wie angewurzelt stehen. Eigentlich hätte ich sie umarmen wollen und ihr sagen, dass sie nicht traurig sein sollte, denn ich war doch bei ihr. Aber ich konnte mich nicht dazu durchringen – ich hatte mich noch nie dazu durchringen können –, und ich befürchtete nur, sie würde sich umdrehen und mich sehen und mich dann ausschimpfen, weil ich sie hatte weinen sehen.
Also ging ich leise weg und setzte mich in meinem Zimmer aufs Bett.
Ich war mir sicher, dass sie mich nicht gehört oder gesehen hatte. Aber nach ein paar Minuten kam sie in mein Zimmer und setzte sich aufs Bett, ganz nah zu mir. Sie weinte nicht mehr, sie zog nur ein wenig die Nase hoch. Sie hatte sich die Zähne geputzt – ich roch die Zahnpasta –, aber ich merkte trotzdem, dass sie eine Zigarette geraucht hatte. Vielleicht auch mehr als eine. Sie nahm meine Hand, und so blieben wir eine Weile sitzen, Hand in Hand. Durch eine halboffene Tür drang Licht in den Flur.
»Manchmal bin ich ein wenig traurig«, sagte sie, ohne sich zu bewegen. Ich nickte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, oder vielleicht wusste ich es auch, aber ich wusste nicht, wie. Ich fragte mich, wie unser Leben verlaufen wäre, wenn Papa nicht gestorben wäre. Ich dachte, dass das Leben sehr ungerecht war, hatte einen Kloß im Hals und musste mich sehr beherrschen, nicht loszuweinen.
»Weißt du, wenn man erwachsen ist, hat man manchmal Angst davor, dass die Zeit vergeht. Das ist nicht leicht zu erklären, aber je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit, und man hat das Gefühl, dass es immer schneller geht. Und das macht einem Angst.«
Sie sah mich an, ob ich ihr auch folgte. Ich nickte, auch wenn ich nicht wirklich verstand, wovon sie sprach.
»Als junges Mädchen traf ich manchmal Bekannte meiner
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