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In der Brandung

In der Brandung

Titel: In der Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Einsatzes, an dem ich verschwinden musste, immer näher rückte, tat ich so, als wäre nichts, und hoffte insgeheim, dass ein Zaubertrank alle Probleme lösen würde, ohne dass irgendjemand sich wehtat.«
    »War der Vater Ihrer Freundin einer der Leute, die Sie festnehmen wollten?«
    »Er war einer der Wichtigsten. Kein bloßer Drogenschmuggler, sondern ein Drahtzieher, der riesige Geldbeträge verwaltete und dazu noch die Politik beherrschte. Einer, der bestimmte, wer Parlamentarier und Bürgermeister wurde, der aber auch direkte Beziehungen zu den größten Verbrechern weltweit unterhielt. Stellen Sie sich vor, es gab eine ganze Reihe kolumbianischer Polizisten, die nach Dienstschluss – nach dem regulären Dienst in der Kaserne – bei ihm als Leibwächter arbeiteten. An ihn ranzukommen war extrem schwierig gewesen, es war der wichtigste Einsatz meines Lebens. Und ich war mit seiner Tochter zusammen. Jedes Mal, wenn dieser Gedanke mich streifte, zitterten mir die Knie. Ich versuchte, nicht daran zu denken, und verließ mich darauf, dass mir im entscheidenden Moment etwas einfallen würde.«
    »Und dann kam der Moment.«
    »Und dann kam der Moment«, wiederholte Roberto. »Wir hatten einen Schiffstransport organisiert. Ein Schiff, dessen Ladung buchstäblich nur aus Kokain bestand. Tonnenweise Kokain. Meine Arbeit der vorhergehenden Monate, die von Phil, die Abhörprotokolle aus den verschiedenen Ländern – vor allem aus Italien – hatten so viele Beweisstücke geliefert, dass wir damit Hunderte von Leuten ins Gefängnis bringen konnten. Damit war mein Einsatz beendet, und ich konnte nach Italien zurückkehren. Offiziell, und das dachten alle, einschließlich José, der Vater von Estela, ging ich nach Italien zurück, um mich um den Schlussakt des Kokaintransports zu kümmern. Was auch stimmte, nur nicht so, wie sie sich das vorstellten. Ich hatte gesagt, dass ich nach dem Ende der Unternehmung innerhalb von ein paar Wochen nach Kolumbien zurückkommen würde. In Wirklichkeit fuhr ich nach Italien, weil bei Ankunft der Fracht die weltweiten Festnahmen und Beschlagnahmungen losgehen würden. Der letzte Ort auf der Welt, an dem ich mich in dem Moment hätte aufhalten dürfen, war Bogotá.«
    »Dieser Herr … José, wusste der Bescheid über Sie und seine Tochter?«
    »Ich glaube schon, auch wenn die Sache nie offiziell besprochen wurde. Wir versteckten uns jedenfalls nicht. Ich denke, dass José nicht wusste, wie er die Sache nehmen sollte. Er mochte mich, ich war ihm sympathisch, und er vertraute mir. Aber er wusste auch, dass ich Drogenhändler war wie er, und die Vorstellung, dass seine Tochter mit jemandem wie ihm zusammen war, war ihm gar nicht recht. Das ist typisch für Kriminelle, die sich zu Geschäftsleuten mausern. Er legte uns allerdings auch keine Hindernisse in den Weg, nie … wir genossen vollkommene Freiheit. Es war die schönste und verrückteste Zeit meines Lebens.«
    Roberto atmete ein paar Mal tief durch.
    »Es fehlten nur noch wenige Tage bis zu meiner Abreise, als Estela mir mitteilte, dass sie ein Kind erwartete. Sie wollte es behalten. Ich war wie in Trance. Ich sagte, ja, ich wolle es auch. Sie umarmte mich und drückte mich an sich und war so glücklich – sie war außer sich vor Freude über das Kind –, und ich fühlte, wie mir das Herz brach. Das ist keine Redensart: Während sie mich in den Armen hielt, fing meine Brust an zu schmerzen. So stark, dass ich dachte, ich bekäme einen Herzinfarkt. Ich hatte den Eindruck, vor Angst zu ersticken, aber das ist nicht richtig ausgedrückt. Ich erstickte tatsächlich vor Angst. Und in diese Angst mischte sich Panik.«
    Roberto schaukelte so heftig auf seinem Stuhl, dass er fast die Kontrolle über die Bewegung verlor. Er nahm die Zigarettenschachtel und steckte sich eine an. Der Doktor ließ sich eine von ihm geben.
    »Die Tage zwischen der Nachricht von ihrer Schwangerschaft und meiner Abreise waren ein Albtraum. Als meine Mutter vor ein paar Jahren starb, war ich unglaublich traurig. Als mein Vater verhaftet wurde und dann starb, war das schrecklich, Aber nichts davon ist vergleichbar mit dem, was ich damals durchlebte. Ich konnte nicht essen, nicht schlafen, musste aufpassen, dass ich nicht vor allen Leuten in Tränen ausbrach. Manchmal ertappte ich mich dabei, wie ich eine Geste oder eine Bewegung immer wiederholte – etwa, um einen Sessel herumgehen oder einen Gegenstand auf dem Tisch hin- und herschieben –, so wie manche Zootiere

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