In der Brandung
lässt. Ich unterhielt mich gern mit ihm, und ich glaube, er auch mit mir. Er sagte, ich sei anders als die Leute, mit denen er normalerweise bei unserer Arbeit zu tun hatte. Er meinte unsere gemeinsame Arbeit als Drogenhändler. Er sagte, er habe Vertrauen zu mir.«
»Warum machte er bei so etwas mit?«
»Wer weiß das schon. Er kam aus einer guten Familie, er ging zur Uni und war fast fertig mit seinem Studium. Ich habe oft daran gedacht, ihn zu fragen, warum er das tat, aber ich habe es dann nie getan.«
»Hatten Sie Angst, Verdacht zu wecken?«
»Ja, solche Fragen stellt man normalerweise nicht in diesen Kreisen. Und ich konnte mir auch vorstellen, was er vermutlich geantwortet hätte.«
»Was?«
»Er hätte gesagt, dass er nichts Verwerfliches darin fand, mit Kokain zu handeln. Er hätte gesagt, dass es keinen wesentlichen Unterschied gab zwischen Drogen, Nikotin und Alkohol. Nur dass die ersteren verboten sind und die letzteren nicht. Wenn jemand heute so etwas zu mir sagen würde, würde ich ihm vermutlich recht geben.«
»Ihr seid also ins Reina Sofia gegangen?«
»Ja, und er erklärte mir eine Menge zu Guernica . Ich habe allerdings so gut wie alles vergessen, ich weiß nur noch die Geschichte vom Minotaurus, der das Gute und das Bestialische symbolisiert.«
Roberto brach ab. Er presste die Lippen zusammen, als habe er plötzlich Fieber bekommen.
»Ein paar Monate später ließ ich ihn zusammen mit vielen anderen festnehmen. Er bekam vierzehn Jahre und sitzt vermutlich heute noch hinter Gittern. Alles dank mir, seinem Freund. Dem Menschen, dem er vertraute.«
* * *
Die dritte Episode hatte sich in Panama abgespielt.
Roberto war auf einer Ranch zu Gast, deren Besitzer dem kolumbianischen Drogenkartell von Cali angehörte. Dieser Typ war sehr einflussreich, und die Ranch war mit allen Schikanen ausgestattet: Es gab Tennisplätze, ein riesiges Hallenbad und einen Pool im Freien mit Wellenanlage, ein Fußballfeld mit den offiziell gültigen Abmessungen und einem Rasen, der täglich bewässert wurde, und mit einer Tribüne. Es gab sogar einen künstlichen Vulkan, der auf Knopfdruck ausbrach.
Auf dem Fußballplatz spielten echte Teams, die vom Hausherrn eingeladen und bezahlt wurden. Die Spiele fanden zur Unterhaltung der Gäste statt. Und auch der Rest war dazu da, die Gäste bei Laune zu halten: hohe Polizeibeamte, Bürgermeister, Politiker, Ärzte und Anwälte und natürlich Kriminelle und Mafiosi aus der halben Welt.
Als Roberto dort war, wurde gerade eine Ladung Waffen angeliefert. Pumpguns, Maschinengewehre und Pistolen aller Art. Sie mussten ausprobiert werden, und irgendjemand sagte, das mache mehr Spaß, wenn man auf lebendige Zielscheiben schoss. In der Peripherie des Dorfs, das ein paar Kilometer von der Ranch entfernt lag, zogen Rudel von streunenden Hunden herum, und derjenige, der die Idee gehabt hatte, fand, dass diese Hunde doch die perfekten Objekte waren, um die Waffen zu testen. Also machten sich ein paar mit Personen und Waffen beladene Jeeps auf die Suche nach den Hunden. Als sie sie endlich fanden, stiegen sie aus den Autos und luden und verteilten die Waffen. Auch Roberto bekam eine Pistole und lud sie, ohne nachzudenken.
Einige lachten, andere machten Witze, wieder andere mahnten zur Ruhe, damit die Hunde nicht wegliefen. Doch die Hunde dachten gar nicht daran wegzulaufen. Sie waren an Menschen gewöhnt und warteten ganz ruhig in ein paar Metern Entfernung. Einige von ihnen legten sich hin und schliefen, andere wühlten im Müll, die Welpen spielten.
Dann hob der Hausherr sein Gewehr – natürlich gab er den Startschuss –, zielte ohne Hast und schoss. Das erste Tier, das getroffen wurde, war ein großer rotbrauner Köter, der ganz friedlich aussah, eine Art Labrador. Der Schuss traf ihn am Hinterteil, die Beine gaben nach, und er brach zusammen. Gleich darauf brach ein Gewitter von Schüssen, Explosionen, Gebell und Geheul aus, in das sich Schreie, Gelächter und der Geruch von Schießpulver und Rauch mischten. Einige Hunde starben gleich beim ersten Schuss. Andere wurden nur verwundet, und nur ein paar schafften es zu entkommen. Als sie aufhörten zu schießen, fand Roberto sich inmitten des Rauchs wieder, mit der Pistole in der Hand. Erst da wurde ihm klar, dass er zusammen mit den anderen geschossen hatte.
Sie luden die Waffen neu und zogen los in die Richtung, in der die meisten Tiere herumlagen.
Ein Typ, der wegen seines Kindergesichts den Spitznamen El Chico
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