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In der Brandung

In der Brandung

Titel: In der Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Großeltern, die mich ein paar Jahre lang nicht gesehen hatten. Leute, an die ich mich nicht einmal erinnerte. Alle sagten dann immer, es sei unglaublich, wie erwachsen ich geworden war, wie die Zeit verging. Gestern warst du doch noch ein Kind , und jetzt … Diese Kommentare regten mich auf. Das war so ein Scheißgerede …« Hier brach sie ab, wegen des Schimpfwortes. Mama passt immer sehr auf mit Schimpfworten. Sie sagt, dass es nicht eine Frage schlechten Benehmens und ordinär ist, sondern dass unsere Art zu reden auch unser Denken beeinflusst. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, das hat sie von Papa.
    »Entschuldige, Giacomo. Es ist mir rausgerutscht. Das kann passieren, wenn man müde oder traurig ist. Was ich sagen wollte, ist jedenfalls: Als ich vor vielen Jahren diese Worte hörte, fand ich sie idiotisch. Heute hingegen kann ich sie verstehen.«
    Ich hatte das Gefühl, sie wollte noch etwas hinzufügen, aber das tat sie dann doch nicht. Vielleicht dachte sie, dass ich zu jung dafür war. Also umarmte sie mich und drückte mich an sich, und ich roch ihren Mama-Duft, denselben wie damals, als ich klein war, und so blieben wir sitzen, bis die Traurigkeit ein wenig nachließ.

23
    »Ich arbeitete mit einem Agenten der DEA zusammen, der wie ich mit der spanischen Polizei in Kontakt war und mit den Spezialeinheiten der kolumbianischen Polizei.«
    »Die DEA ist die amerikanische Drogenbehörde, oder?«
    »Ja. Es ist oft nicht leicht, einen ihrer V-Leute von einem echten Drogenhändler zu unterscheiden. Aber vermutlich hätte man dasselbe von mir sagen können. Er hieß Phil und gefiel mir von Anfang an nicht. Etwas an ihm war … mir kommt das richtige Wort nicht, auf Englisch würde ich sagen: rotten .«
    »Faul.«
    »Ja, genau. Bei der Vorbereitung unseres Einsatzes machte er einen so negativen Eindruck auf mich, dass ich ernsthaft daran dachte, mich ersetzen zu lassen.«
    Roberto sann kurz darüber nach, was passiert wäre, wenn er diesem Impuls nachgegeben hätte. Er ließ es schnell wieder sein.
    »Natürlich tat ich das nicht. Eines der Ziele unserer Ermittlungen war es, einen Ring aufzudecken, der aus Polizei- und Zollbeamten bestand – Italienern, Spaniern, Amerikanern –, die sich von den Drogenhändlern bestechen ließen. Leute, denen man bis zu diesem Zeitpunkt nichts hatte nachweisen können. Gerade deshalb waren die Beziehungen zwischen mir und meiner Truppe – Kollegen, die meine Arbeit mitverfolgten und im Notfall eingreifen konnten – auf ein Minimum reduziert. Jeder Kontakt konnte die Unternehmung gefährden.«
    »Wie lange dauerte die Operation?«
    »Mehr als eineinhalb Jahre. Ich war mindestens ein Jahr lang durchgehend in Kolumbien, so lange am Stück hielt ich mich sonst nie in Südamerika auf. Ich wohnte in Bogotá, wo ich eine Wohnung hatte und ein halbes Jahr lang blieb. Ich kenne die Stadt besser als Rom, und ich war sehr gern dort. Es gab dort einiges, was mir sehr gut gefiel.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zuallererst das Klima. Die Stadt liegt nahe am Äquator, aber 2600 Meter über dem Meeresspiegel. Es ist dort nie zu heiß oder zu kalt. Die Jahreszeiten unterscheiden sich nicht viel voneinander, es herrscht so etwas wie ewiger Frühling. Dann gefiel mir die Altstadt – La Candelaria –, die zwar gefährlich, aber auch wunderschön ist. Die Taxifahrer ermahnten einen ständig, die Autotüren zu verriegeln, und nachts hatte man manchmal den Eindruck, dass kleine Geisterbanden auftauchten, die nur darauf warteten zuzuschlagen und wieder zu verschwinden.«
    »Waren Sie bewaffnet?«
    »Nein, aber der Großteil der Leute, mit denen ich zu tun hatte, war es. Mir ist allerdings nie etwas passiert, auch wenn ich allein und unbewaffnet unterwegs war. In Bogotá gibt es vieles, was man dort überhaupt nicht vermuten würde. Zum Beispiel ein unglaubliches Trambahnnetz – das TransMilenio, eine Art überirdische U-Bahn –, das wie ein Uhrwerk funktioniert, man glaubt, in Stockholm oder in Zürich zu sein. Dann gibt es eine Menge Fußgängerzonen, wo man nicht einmal parken darf. Bei einer südamerikanischen Hauptstadt – und speziell Bogotá, das einen sehr schlechten Ruf hat – stellt man sich vor, dass die Autos sich stapeln, in zweiter und dritter Reihe parken, wie hier in Rom. Ich wohnte dort in einer Wohnung im fünfzehnten Stock einer Siedlung, und ich muss sagen, dass nachts, wenn ich das Fenster aufmachte, die Luft immer frisch und niemals kalt war. Ich zündete mir dann oft

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