In der Bucht der Liebe
schon Zeit, nach Hause zu fahren, wo sie Bens Bild sogleich gut sichtbar an die Wand in seinem Schlafzimmer hefteten.
Um sechs Uhr wurde das Essen serviert, und pünktlich zur vereinbarten Zeit schaltete Taylor den Computer und die Webcam ein und sah zu, wie Dantes Gesicht auf dem Bildschirm erschien.
Obwohl er weit weg war, hatte sie das Gefühl, er sei mit ihnen im selben Raum, während er aufmerksam zuhörte, als Ben ihm voller Begeisterung erzählte, was er heute erlebt hatte. Als Dante sich an sie wandte, erbebte sie, und ihr Puls fing an zu jagen. Am liebsten hätte sie die Hand auf die verräterische Stelle an ihrem Hals gelegt, aber sie wollte Dantes Aufmerksamkeit nicht dorthin lenken.
Stattdessen lächelte sie höflich und versicherte ihm, es sei alles in Ordnung. Wieder einmal fragte sie sich, weshalb sie auf diesen Mann so heftig reagierte. Dafür gab es mehrere Gründe, wie sie sich eingestand: seine schlanke, muskulöse Gestalt, sein markantes Gesicht mit den verführerischen Lippen und dem energischen Kinn. Um seine dunklen Augen herum entdeckte sie winzige Fältchen, und sein Blick wirkte geradezu hypnotisierend.
Er strahlte Härte und eine gewisse Rücksichtslosigkeit aus, die für seine Gegner nichts Gutes verhieß. Ben gegenüber bewies er jedoch eine geradezu endlose Geduld, und er sprach so sanft und liebevoll mit ihm, dass sie zutiefst berührt war.
Wie mag er wohl die Frau behandeln, die er von ganzem Herzen liebt?, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Wahrscheinlich war er ein ungemein leidenschaftlicher und besitzergreifender Mann, was bestimmt nicht jeder gefiel.
Taylor überlief es heiß, und sie sah ihn mit großen Augen an, während er die Lippen belustigt verzog, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
Später, nachdem Ben eingeschlafen war, beschloss sie, noch zu arbeiten. Sie kam so gut voran, dass sie gar nicht merkte, wie die Zeit verging. Erst weit nach Mitternacht speicherte sie alles ab, schaltete den Laptop aus und duschte, ehe sie ins Bett ging.
Die nächsten Tage verliefen nach demselben Muster. In den Stunden, wenn Ben nicht mehr wach war, hatte sie die besten Ideen.
„Du bist schon lange weg. Wann kommst du endlich zurück?“, fragte der Junge Dante eines Abends.
„Du hast recht, ihr seid schon fast eine Woche allein, aber in den nächsten Tagen bin ich wieder bei euch.“
„Wir vermissen dich. Stimmt’s Taylor?“
Kindermund …, dachte sie. Es lag ihr auf der Zunge, zu erklären, sie habe mit seiner Abwesenheit kein Problem. Um Ben jedoch nicht zu enttäuschen, stimmte sie ihm zu.
Dantes spöttischer Blick verriet ihr, dass er wieder einmal genau zu wissen schien, was in ihr vorging.
Als sie später Ben eine Gutenachtgeschichte vorgelesen und er das schlichte Nachtgebet gesprochen hatte, das Casey ihm beigebracht hatte, beugte sie sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf die Stirn.
„Glaubst du, meine Mom und mein Dad wissen, dass du und Dante für mich sorgt?“
Seine wehmütige Frage gab ihr einen Stich ins Herz. „Aber ja, da bin ich mir ganz sicher.“
„Wenn sie vom Himmel herunterblicken, sehen sie dann, dass ich jetzt in Dantes Haus wohne?“
Ihre Augen schimmerten plötzlich feucht. „Ja, das tun sie“, versicherte sie.
„Ich hab dich lieb, Taylor“, flüsterte er, während ihm die Lider zufielen.
„Ich dich auch“, erwiderte sie sanft.
Wenig später schaltete sie die Nachtbeleuchtung ein und verließ den Raum.
Seine kindlichen Fragen bewegten sie tief, und voller Wehmut dachte sie an die Zeit zurück, als ihrer beider Leben noch in Ordnung gewesen war.
Durch den brutalen Überfall hatte sich für sie alles schlagartig verändert. Sie wurde ihre Angst nicht mehr los, und ihr Vertrauen war zerstört. Auch jetzt, nach zwei Jahren, waren die Erinnerungen noch genauso frisch wie am ersten Tag. Sie fröstelte und legte sich die Arme um den Körper, wie um sich gegen die Bilder zu schützen, die vor ihr aufstiegen. Sie glaubte, die Finger des Mannes auf ihrem Körper zu spüren, und empfand fast dieselbe Panik wie damals. Würde sie jemals mit einem Mann intim sein können? Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu Dante. Mit seinen seltenen und flüchtigen Berührungen hatte er Gefühle in ihr geweckt, die sie lieber nicht analysieren wollte.
Das Schreiben war für sie so etwas wie ein Allheilmittel. Es half ihr über die schrecklichen Gedanken hinweg. Sie betrat das Arbeitszimmer, rief die Seiten auf, die sie heute geschrieben
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