In der Falle - Leino, M: In der Falle
Schreibtisch. »Ein passender Anfang für ein neues Leben, was, Peter?«
Turunen, der vor dem Schreibtisch saß, war nicht nach Scherzen zumute. Die Wendung, die die Dinge am Morgen genommen hatten, behagte ihm nicht. Als spät in der Nacht Machos SMS angekommen war, hatte ihm kurz das Bild des toten Levola-Jungen vor Augen gestanden, aber damit war es dann auch gut gewesen. Der Junge hatte kurz gelebt, aber nicht vergebens, jedenfalls aus seiner, Turunens Sicht. An Pakarinen hatte er keinen Gedanken verschwendet.
Aber dann der Morgen! Er hatte Turunen fast zur Weißglut gebracht. Er hatte geflucht und sich gewünscht, er wäre schon in Holland oder besser noch auf der anderen Seite des Erdballs. Natürlich nur mit seinem Geld. Bevor sie nach Veddesta gefahren waren, hatten sie in den Frühnachrichten gesehen, welchen ungeheuren Mist Ratko in Finnland gebaut hatte. Obwohl niemand hatte sterben sollen, hatte Ratko es fertiggebracht, Viitasalos Frau und dessen kleine Tochter umzubringen und Viitasalo selbst nicht. Die Polizeien aller nordischen Länder waren seitdem in höchster Alarmbereitschaft, nur wussten sie zum Glück noch nicht, hinter wem sie her waren. In den Medien war von der Vermutung die Rede, dass es sich um einen Racheakt gegenüber einem Polizisten handelte. Unklar sei allerdings, warum nur dessen Frau und Tochter Opfer des Anschlags geworden seien und nicht der Polizist selbst. Der Name des Polizisten wurde aus polizeitaktischen Gründen nicht genannt. Der Leiter der Untersuchung Markus Falck war bei einem kurzen Interview selbst für einen Finnen ungewöhnlich kurz angebunden gewesen.
Bregovic hatte gelacht. Der Serbe fand, der Nutzen der Aktion sei so oder so derselbe: Die Polizei stochere hektisch im Nebel, und um nichts anderes sei es gegangen. Bregovic zufolge hatte Ratko bei dem Telefonat am Abend auch etwas vage geklungen, vielleicht hatte er schon gewusst, was er angerichtet hatte, und wollte es nur nicht zugeben. Turunen war nicht glücklich über die Entwicklung, aber er wusste, dass Bregovic recht hatte: Der Nutzen war derselbe. Und was Ratko betraf, wäre der serbische Krieger nach diesem Fehler nur noch sicherer ein toter Mann. Turunens Tipp würde seine Wirkung nicht verfehlen. Über den Fund zweier erschossener Männer an der alten Staatsstraße 1 hatte er lediglich eine Kurznotiz im Netz gefunden, die Medien konzentrierten sich ganz auf den Bombenanschlag. Erst einer der beiden toten Männer sei identifiziert, meldete die Internetseite der Ilta-Sanomat . An einen Zusammenhang zwischen den Todesfällen dachte naturgemäß niemand.
Dennoch: Je weiter der Morgen voranschritt, desto unruhiger wurde Turunen. Er mochte keine Überraschungen.
»Wann wollte Sundström anrufen?«, fragte Bregovic, dessen gute Laune Turunen zusätzlich auf die Nerven ging.
Turunen schaute auf sein Handy, das vor ihm auf Bregovics Schreibtisch lag: »In einer Minute.«
»Ich hätte fast Lust, selbst mit ihm zu reden. Es wäre das erste Mal seit langer Zeit, und die Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder.«
»Dir bleibt ja noch Koljakov«, sagte Turunen.
»Scheiß drauf! Koljakov ist nichts. Hab ich’s dir nicht gesagt: ein Laufbursche.« Bregovic winkte ab.
Sundström blieb auch heute seinen Gewohnheiten treu. Das Handy vibrierte fast auf die Sekunde genau zur vereinbarten Zeit. Bregovic zwinkerte Turunen zu und holte eine Flasche Whisky und zwei Gläser aus dem Schreibtisch. Vielleicht war der Mann doch nicht ganz der Irre, der er zu sein schien, dachte Turunen und nahm das Handy.
»Alles in Ordnung?«, fragte Sundström.
»Ja«, sagte Turunen und lehnte sich ein wenig in Richtung des von Bregovic bereits gefüllten Glases. »Goran und ich stoßen gerade darauf an.«
»Was sagst du?«
»Es hat sich eine kleine Änderung bei den Zeitplänen ergeben«, sagte Turunen und prostete Bregovic zu. Er probierte seinen Whisky und fuhr fort: »Ich wollte dich damit nur nicht behelligen. Die Ladung war schon gestern in Finnland und ist jetzt schon hier. Wir erwarten sie in etwa einer halben Stunde. Sie wird nur, wie soll ich sagen, offiziell nie hier ankommen. Leider haben die bösen Esten unseren Begleitschutz überrumpeln können und den kompletten LKW gekapert.«
In der Leitung war es für einen Augenblick still. Turunen trank noch einen Schluck Whisky und wartete.
»Du bist in Schweden? Turunen, das überlebst du nicht«, sagte Sundström mit rauher Stimme.
»Tatsächlich? Dann sollte ich vielleicht
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