In der Falle - Leino, M: In der Falle
richtig war. »Zahlung erfolgt.« Danach hatte er das Handy ausgeschaltet und es zusammen mit dem Pakarinens mit dem Absatz auf dem Asphalt zertreten. Die SIM-Karten hatte er in zwei Teile geknickt und sie mit den übrigen Handyresten in den Müllcontainer des Rastplatzes geworfen. Die ganze Zeit hatte er sich gefühlt wie noch nie zuvor: Er hatte vollkommen ruhig und überlegt gehandelt, und dennoch war es, als stände er irgendwo außerhalb seiner selbst und schaute sich dabei zu.
Als Vesa in Helsinki ankam, war schon Freitag. Er stellte den Hiace auf den Parkplatz der Sportanlagen in Pirkkola, ließ die Schlüssel in den nächsten Gully fallen und ging zu Fuß nach Hause.
Er öffnete leise die Wohnungstür, brachte den Rucksack in sein Zimmer und ging sich im Badezimmer Gesicht und Hände waschen. Die Blutflecken sahen im Spiegel schon braun aus und ließen ihn noch um eine Spur blasser erscheinen. Er konnte sich nicht in die Augen sehen. Er wusch die Hände dreimal hintereinander, benutzte viel Seife und kratzte sich das Gesicht mit den Nägeln sauber.
Mutter hatte das Licht im Wohnzimmer brennen lassen. Auf dem Tisch standen Batterien von leeren Bier- und Ciderflaschen, drei leere Koskenkorva -Flaschen und ein überquellender Aschenbecher. Aus dem Schlafzimmer war Schnarchen zu hören. Vesa öffnete leise die Tür und sah seine Mutter nackt auf dem Bett liegen. Neben ihr lag Kaitsu, der schon ein paarmal zum Saufen hier gewesen war, sonst aber immer auf dem Sofa geschlafen hatte.
»Vater lässt dir ausrichten, dass er dich liebt«, flüsterte Vesa und machte die Tür zu.
Erst als er sich in seinem eigenen Zimmer kraftlos aufs Bett fallen ließ, begriff er, dass er zum ersten Mal seit langer Zeit frei war, wirklich frei, und dennoch verspürte er kein Hochgefühl. Da war immer noch dieses Schaukeln der ganzen Welt um ihn herum, und er verstand nicht, wer dafür verantwortlich war, denn da war ja niemand mehr. Vater, Irma, Macho, Pakarinen, sie waren doch alle weg. Und Mutter hatte eine neue Seite in ihrem Leben aufgeschlagen. Er war allein mit seiner Freiheit. Und Tiina? Wie es mit Tiina war, wusste er nicht.
Er konnte nicht schlafen. Die Muster an der von Vater nicht sehr sorgfältig gestrichenen Decke begannen zu leben, und er bekam es mit der Angst. Die Decke war wie ein dunkles, aufgewühltes Meer, und obwohl er das Meer über sich wusste, hatte er Angst zu fallen. Nein, Angst, dass er gleich springen würde, wie damals, während der ersten Tour nach Estland, als er an Deck gegangen war und den salzigen Wind auf dem Gesicht gespürt hatte. Damals hatte er begriffen, dass er die Freiheit hatte zu springen. War es das, was in letzter Konsequenz mit Freiheit gemeint war? Wie hatte es Vater ausgedrückt?
Du musst 24 Stunden am Tag auf dem Sprung sein.
Wenn Vater das gemeint hatte, hatte er tiefer gedacht, als Vesa es verstanden hatte.
Als Vesa zum ersten Mal Pakarinens Gesicht an der Decke sah und den überraschten, angsterfüllten Ausdruck darin, setzte er sich auf und versuchte, Tiina anzurufen. Wieder vergebens.
Erst als er auf der Bettkante saß, kam ihm voll zu Bewusstsein, dass er einen Menschen getötet, tatsächlich das Leben eines anderen Menschen ausgelöscht hatte. Ihm wurde schlecht. Das Meer war jetzt in ihm, ein aufgewühltes, stürmisches Meer, ein freies Meer, das Wellen schlug. Er selbst war das Meer geworden.
Als er von der Toilette zurückkehrte, versuchte er es noch einmal bei Tiina, aber es klappte nicht. Und jetzt begriff er, dass es so besser war. Was hätte er ihr auch sagen sollen? Wie ihr erklären, dass er getötet hatte und zu einem Meer geworden war? Dass er schon vor langer Zeit gesprungen war?
Als Vesa das Beutelchen aus der Tasche fischte, zitterten ihm die Hände.
Wenig später lag er auf dem Rücken und hörte, wie ihm das Meer vom Bauch in den Kopf gewandert war. Das Rauschen wurde lauter. Er spürte den Wind in den Ohren wie auf der Schaukel. Er spürte den Luftzug, und ihm war zum Lachen. Er war tatsächlich schon vor langer Zeit gesprungen. Jetzt erinnerte er sich. Er war mit geschlossenen Augen gesprungen und hatte sich vorgestellt, dass er ewig flog, bis Hände ihn aufgefangen und an die Brust gedrückt hatten. In Vaters starken Boxerarmen, den Geruch der Sporthalle in der Nase und Vaters Gelächter im Ohr, fiel er zum ersten Mal nach langer Zeit in einen tiefen Schlaf.
»Ein schöner Morgen und ein schöner Tag.« Bregovic saß gut gelaunt hinter seinem
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