In der Falle - Leino, M: In der Falle
gebraucht und du nicht. Jeder könnte auf deinem Platz sitzen, auf meinem nur ich. Verstehst du, Viitasalo? Du riechst übrigens nach Alkohol, da kannst du Salmiakbonbons lutschen, so viel du willst. Du gehst doch wohl nicht betrunken zur Arbeit?«
Viitasalo sagte nichts. Er konnte Sundström nicht mehr in die Augen sehen. Er starrte schweigend auf dessen aus dem Kragen eines Flanellhemds ragenden stoppeligen Hals. Sundström hatte einen dünnen Hals und einen knochigen Adamsapfel, der beim Reden auf und nieder hüpfte.
»Wo wir jetzt wissen, worüber du dich wunderst, willst du sicher wissen, worüber ich mich wundere?«
»Nämlich?« Viitasalo stellte sich vor, wie er die Finger um Sundströms Hals legte, und konnte fast körperlich spüren, wie seine Daumen die faltige Haut in die Luftröhre drückten.
»Ich wundere mich, wie ein Idiot in meiner Sache ermitteln kann, gegen den ich beim Justizbeauftragten des Parlaments Beschwerde eingereicht habe. Die einzige Erklärung, die mir dafür einfällt, ist die, dass seit der Einreichung erst zwei Monate vergangen sind. Die Mühlen der Bürokratie mahlen bekanntlich langsam, ein bisschen wie Polizistenhirne.«
Viitasalo reagierte falsch. Er sprang auf, dass sein Stuhl umkippte, und lief um den Tisch. Er packte Sundström am Kragen und hob die Faust. Erst da kam er zur Besinnung, obwohl er immer noch den Drang verspürte zuzuschlagen. Zuzuschlagen, um den Druck, der sich in Jahren aufgestaut hatte, ein für alle Mal loszuwerden. Er hätte das Böse fortprügeln, Sundström zu einem nicht mehr identifizierbaren Klumpen aus Fleisch, Knochen und Blut schlagen wollen, aber er tat es nicht.
»Schlag nur zu. Oder traust du dich nicht? Hast du nicht mal dazu die Eier?« Sundström rang nach Luft. »Was meinst du: Was würde deine Frau sagen, wenn sie wüsste, mit was für einem krummen Hund sie wirklich verheiratet ist, was glaubst du?«
Viitasalo zitterte vor Wut. Sie war Jahr für Jahr in ihm angewachsen, Monat für Monat, hatte sich von schlaflosen Nächten genährt und der ewigen Angst, erwischt zu werden. Jetzt wäre sie bereit gewesen für eine Explosion, und dennoch spürte er zu seiner Überraschung, dass er sie unter Kontrolle hatte. So dumm würde er sich nicht anstellen.
»Nein.« Viitasalo ließ Sundström los und trat einen Schritt zurück. Seine Arme fühlten sich kraftlos an und taub. Er würde sie ausschütteln müssen, damit das Leben in sie zurückkehrte.
Sundström schüttelte lachend den Kopf. »Du hast überhaupt keine Eier, so sieht’s aus.«
»Ich lass dich wegbringen«, sagte Viitasalo leise.
»Nur einen Augenblick noch«, sagte Sundström. »Ich hab noch was für dich.«
»Was?«
»Das hier.« Sundström holte tief Luft und begann zu schreien. »Hilfe! Nein! Nicht! Au! Nicht schlagen! Nein!«
Viitasalo wusste nicht, was er tun sollte. Er starrte Sundström nur ungläubig an. Jetzt riss er sich auch noch die Knöpfe und den Kragen vom Hemd. All das dauerte nur Sekunden, aber Viitasalo sah es wie in Zeitlupe. Erst als Sundström sich mit der Faust auf die Nase schlug, vermochte Viitasalo sich zu rühren. Es war nur viel zu spät.
»Hör auf, verdammt!«, brüllte er, während von draußen die Tür aufgestoßen wurde.
»Aufhören! Bitte!«, kreischte Sundström mit weinerlicher Stimme.
Viitasalo wusste, wie die Szene auf Kivi wirken musste, der in der Tür auftauchte. Viitasalo hatte den Oberkörper des kreischenden Sundström im Zangengriff, und aus Sundströms Nase floss Blut auf die Ärmel von Viitasalos weißem Hemd.
Kivi starrte so ungläubig auf die Szene, wie Viitasalo selbst auf den schreienden Sundström geschaut hatte.
»Es ist nicht, wonach es aussieht«, hörte Viitasalo sich sagen.
Sundström zappelte in seinem Rollstuhl und warf, immer noch kreischend, den Kopf hin und her.
»Juha? Was zum Teufel tust du da? Juha! Lass ihn los!«
Viitasalo löste seinen Griff, bevor Kivi bei ihm war. Der sah ihn vorwurfsvoll an und beugte sich dann zu Sundström hinunter.
»Ist es schlimm?«
»Nein«, sagte Sundström vollkommen ruhig. »Ich bin gestolpert und hab mir die Nase am Tisch angeschlagen.«
»Was?« Kivi schaute fragend zu Viitasalo, der sich keuchend an die Rückwand des Zimmers verzogen hatte und die Blutflecken auf seinen Ärmeln betrachtete.
»Du hast richtig gehört«, sagte Sundström und rückte seine leicht verrutschte Brille zurecht. »Ich will daraus keine große Sache machen. So Dinge passieren. Ich will nicht,
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